JAMES – All The Colours Of You

Nature needs a break, so we wait in our home, our foxhole,
I‘m out of a job, confronting my life, the walls of my home

(James – Recover)

„We‘re all gonna die, that‘s the truth“, mutmaßt Tim Booth in ZERO. Aufbauende Worte sind das nicht gerade. Aber es geht weiter: „We‘re ageing like wine til we don‘t. I‘ll be by your side, I‘ll sing when you choke.“ Das ist der Schwenk ins Positive, den man erwartet. Booth führt James seit 39 Jahren an, abzüglich einer Pause zwischen 2001 und 2007. Er singt und singt und singt, glaubt an das Gute und transportiert diesen Glauben ohne Ende. Wer erinnert sich nicht an den Gassenhauer Sit Down, der bis heute aus Brit-bevölkerten Bars im Balearen-Bereich böllert? „Those who feel the breath of sadness, sit down next to me, those who find they’re touched by madness, sit down next to me, those who find themselves ridiculous, sit down next to me.“ Booth ist einer, der es ehrlich meint und direkt wird. Er ist ein Mann des Volkes. Die Rolle nimmt man ihm ab, damals wie heute.

Der miserable Zustand unserer Zeit spornt den Sänger zusätzlich an. Booth ist in Manchester groß geworden. Die letzten dreizehn Jahre lebte er mit Frau und Sohn am Rande von Los Angeles. Derzeit testet er die Atmosphäre in Costa Rica, in Kalifornien war es ihm zu hart geworden. Das lag einmal an verheerenden Waldbränden, die nicht allzu weit entfernt von Topanga Canyon tobten. Beautiful Beaches ist die Reaktion, ein flammender Song-Appell gegen Naturzerstörung. Ein Problem waren auch die politischen Geschehnisse. Booth fühlte sich unter Trump wie im Käfig, verlor aber nicht das Grundvertrauen: „God bless America, hip hip hooray, the red, the white, black and blue, love all the colours, all the colours of you.“ Ein Hoch auf die multikulturelle Gesellschaft. Zum Stimmungsumschwung kommt es in Recover, es geht um den Verlust des eigenen Schwiegervaters infolge von Covid-19. Daraus entwickeln sich weitere Gedanken in der Zeit der Quarantäne. Nachdenklich wird es auch in Miss America. Der Glanz auf dem Laufsteg schwindet, man bemerkt dunkle Seiten des Glamours.

James hatten immer einen Draht zu großen Produzenten. Ihr LP-Debüt Stutter entstand Mitte der Achtziger an der Seite von Lenny Kaye, den man als Gitarristen der Patti Smith Group liebt. Laid ist ein Album, das in jede Liste der besten Platten der Neunziger gehört, nicht zuletzt dank der Hilfe von Brian Eno. Jetzt haben die Briten zum ersten Mal mit Jacknife Lee gearbeitet. Dass der es auch mit elektronischer Musik hat, hört man an der Reise mit dem Magic Bus. Da vermutet man fast die Pet Shop Boys auf dem Fahrersitz. Wherever It Takes Us klingt kratzig, nicht zuletzt wegen eines Sounds und eines Rap-verwandten Vortrags, der an die Happy Mondays erinnert, bless them. In XYST verweist man mit kleinen Experimenten auf die Zeit mit Eno.

Bei all dem kommt der Sinn für Melodien nicht abhanden. Wie oft hat man sich schon darüber aufgeregt, dass während der zweiten Hälfte eines Albums von zu vielen Künstlern nichts hängen bleibt und alles bloß dudelt? Hier sitzt auch die Hookline in Getting Myself Into, das ist Stück Nummer acht von elf. James spielen ihre Erfahrung aus. Mühelos, aber nicht angeberisch. Sie geben noch einmal Gas, denn sie wissen: Irgendwann wird alles zu Ende sein. Bis es soweit ist, malen sie die Welt so bunt an, wie es nur geht. Bringt ruhig ein paar Farbtöpfe mit.

James – All The Colours Of You
VÖ: 4. Juni 2021, Virgin Music
www.wearejames.com
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