Foto-© Nick Murphy
Von wegen Sommerloch! Stetig wie die Wellen an deutschen Stränden kommen im Juli die musikalischen Hochkaräter mit neuen Alben ums Eck, dass es nur so eine wahre Freude ist. Mit dabei:
1. Chet Faker – Hotel Surrender (VÖ: 16.07)
Manchmal braucht man eine Reise quer um die Welt, um letztlich wieder bei sich selbst anzukommen – so auch beim australischen Musiker Nick Murphy, der seinen musikalischen Alter Ego Chet Faker eigentlich vor einiger Zeit auf Eis gelegt hatte und nach der Album-VÖ (als Nick Murphy) 2019 von Run Fast Sleep Naked ein Jahr lang um den Globus gereist war. Anfang 2020 hatte er dann aber auf einmal wieder einige neue Songs im Gepäck, die so die Energie der Anfangstage von Chet Faker atmeten, dass dem Projekt neues Leben eingehaucht wurde. Umso mehr, als er feststellte, dass er da in seinem New Yorker Studio ein komplettes Album fertig hatte: Hotel Surrender! Ein Album, das klingt als wäre Faker nie weg gewesen…oder wie heimkommen, also in ein sehr kraftvoll pulsierendes Disco-Zuhause, das voller Melancholie deinen Lieblings Slow-Dance-Song auf Heavy Rotation zur Reunion spielt und den Bass aufdreht.
2. Durand Jones & The Indications – Private Space (VÖ: 30.07.)
Nachdem sich die Soul-Herren von Durand Jones & The Indications nach der Veröffentlichung des 2019er Albums American Love Call und der dazugehörigen Tour in alle Himmelsrichtungen verabschiedet hatten und erstmals längere Zeit voneinander getrennt waren, sorgte das Wiedersehen von Aaron Frazer, Durand Jones, Blake Rhein, Steve Okonski und Mike Montgomery für ordentlich Freude und Energie. Diese schlägt sich dann auch im dritten Album der Band wieder! Für das neue Album hat sich die Band, die zuvor für die Wiederbelebung von erdigem Gospel-Soul und 60s Funk bekannt war, völlig einem mitreisendem Disco-Sound geöffnet! “At the end of the day, I just want people to close their eyes and forget where they are. Just the way a Stevie Wonder album does for me,” sagt Jones darüber, während Rhein ergänzt: “There’s a lot of the band’s original DNA, but it’s not a time capsule.“ Frazer, der Anfang des Jahres mit seinem Solo-Album Introducing… schon für Aufsehen sorgte, fügt hinzu: „We’re actually revealing more of ourselves, a deeper and broader look into who we are as musicians and fans.“
3. Clairo – Sling (VÖ: 16.07.)
2019 veröffentlichte Claire Cottrill, alias Clairo, mit ihrem Debütalbum Immunity so etwas wie das Bedroom-Pop-Album des Jahres und wurde kurzerhand zum Newcomer-Star. Nun kehrt sie zurück mit ihrem Zweitwerk Sling, das von ihr und dem für seine Arbeiten mit Taylor Swift, St. Vincent, Lana Del Rey oder Lorde bekannten GRAMMY– und Golden Globe-Gewinner Jack Antonoff in den Allaire Studios produziert wurde. Viel bekannt über das Album ist leider bisher noch nicht, nur, dass die erste Single Blouse klanglich etwas mit den Songs des letzten Albums bricht und noch akustischer und reduzierter wirkt, bis die volle Opulenz, getragen von Streichern, durchbricht. Gleichzeitig erinnert der Gesang und die Lyrics an die Stärken der 22-jährigen Sängerin, Songwriterin, Multi-Instrumentalistin und Produzentin: ihre entwaffnend intimen, tagebuchartigen Lyrics und ihre gute Beobachtungsgabe.
4. Lump – Animal (VÖ: 30.07.)
Lump, das gemeinsame Projekt der in London lebenden Songwriterin Laura Marling und Mike Lindsay von der Band Tunng erschien in 2018 plötzlich auf der Bildfläche mit einem Debütalbum, das überraschte und Kritiker wie Fans schnell verzauberte. Nun kehrt das Duo schon zurück und veröffentlicht am 30. Juli ihr zweites Album Animal via Partisan Records und zeigt damit wieder, wie gut sie auch abseits von ihren Kernprojekten und außerhalb ihrer Komfortzone zusammen funktionieren. “Half cute, half dark and creepy” – die Songs, die Marling und Lindsay als Lump schreiben, unterscheiden sich von ihren anderen Projekten. Marlings Texte sind spontan, unmittelbar und spielerisch (und stützen sich auf ihr Interesse an der Psychoanalyse). Unterdessen produziert Lindsay eine zugängliche Palette elektronischer Sounds, die an Psychedelik grenzt. Animal wurde in Lindsays Heimstudio in Margate, Kent, aufgenommen und hauptsächlich um seinen Eventide H949 Harmonizer herum konstruiert, denselben Pitch-Shifter, den David Bowie auf Low verwendete.
5. Torres – Thirstier (VÖ: 30.07.)
Der Nachfolger des gefeierten Torres-Vorgängers Silver Tongue (2020) ist Mackenzie Scotts bisher überschwänglichste und gewagteste Platte, die sie in einem aufregenden freien Fall zeigt. Scott dazu: “I’ve been conjuring this deep, deep joy that I honestly didn’t feel for most of my life. I feel like a rock within myself. And I’ve started to feel that I have what it takes to help other people conjure their joy, too.” Diese Stimmungswechsel schlagen sich dann auch in der ersten Single Don’t Go Puttin Wishes In My Head nieder, wie Scott erklärt:“I love the idea that intensity can actually be something life-saving or something joyous.” Etwas weniger verkopft, dafür etwas zugänglicher, ohne aber die krachigen Gitarren komplett abzuschaffen – das steht Torres gut auf Thirstier!
Newcomer:
1. Charlotte Day Wilson – Alpha (VÖ: 09.07.)
Anfang 2018 schrieben wir schon über Charlotte Day Wilson: „Es ist ja bekanntlich nicht alles Gold was glänzt. Und nicht alles, was zäh und klebrig ist, ist Honig. Allerdings scheint alles, was Charlotte Day Wilson ist und macht wie süßes, flüssiges Edelmetall zu sein. Die Kanadierin hat eine dieser warmen, weisen Stimmen, die für die großen Kompositionen gemacht ist. Ihre Melodien produziert sie in den eigenen vier Wänden und ist somit eine dieser „Bedroom Producer“ – wie man neumusikalisch auch sagt. So sichert sich die Kanadierin maximale künstlerische Freiheit und bastelt mit elegantem R’n’B und Elektro einen Sound zusammen, der ihre Stimme herrlich untermalt. Somit ist es wirklich kein Wunder, dass Charlotte Day Wilson als das nächste große Ding aus Kanada gehandelt wird.“ So viel des Rückblicks und der Vorschusslorbeeren – denn nun kehrt die Kanadierin zurück und präsentiert endlich ihr Debütalbum Alpha – eine elf Songs umfassende Reise voller Metaphern und ernsthafter Erklärungen, die Charlottes innere Kämpfe um Liebe, Wachsen und Zerbrechen widerspiegeln, die sie nun endlich in einer größeren Form anspricht.
2. Inhaler – It Won’t Always Be Like This (VÖ: 09.07.)
Als 13-Jährige trafen sich Robert Keating, Elijah Hewson, Ryan McMahon und Josh Jenkins im Kunstunterricht in ihrer Dubliner Schule, um schnell anstelle von an Kunstwerken, an einem gemeinsamen Band-Projekt zu arbeiten. Der Weg führte die Herren über ausgiebiges Proben an Cover-Versionen von Songs ihrer Lieblingsbands wie Joy Division, The Strokes, Kings of Leon oder Depeche Mode schnell zu eigenen Songs – heute sind sie nun selbst eine der heißesten Rock-Bands und zeigen, dass auch breitbeiniger Rock in 2021 noch zeitgemäß klingen und richtig Bock machen kann!
3. Jodi – Blue Heron (VÖ: 16.07.)
Das in Chicago ansässige Ex-Pinegrove-Mitglied, Multi-Instrumentalist- und Songwriter-Genie Jodi, alias Nick Levine* (*selbstgewählte Pronomen: they/them) versteht es intime, wie bemerkenswert präsente Momente in den Songs heraufzubeschwören, weshalb die Vergleiche zu Größen wie Jason Molina, Mount Eerie und Co schnell auf der Hand liegen. Während Blue Heron an den Fäden der Bedeutung kratzt und versucht, der Welt einen Sinn zu geben, ist es ein Werk, das letztlich nur in der vollständigen Hingabe an Kräfte, die größer sind als man selbst, einen Abschluss findet. Es umarmt den Zufall, die Zufälligkeit und das Schicksal mit einer erhabenen Neugierde und findet schließlich einen Sinn in der Zufälligkeit von allem.
Wiederkehrer: Sun June – Years
In den letzten Wochen gab es eine Konstante, die immer wieder bei Spotify ihren Weg in unser Gehör suchte: Years, das Debütalbum der Austiner Band Sun June, das entstand während Laura Colwell und Stephen Salisbury sich Tage und Wochen im Schnittraum mit dem Kult-Regisseur Terrence Malick um die Ohren schlugen – denn wann immer Malick mal nicht vor Ort war, nutze das Duo die Zeit um an ihren Songs zu schrauben. Herausgekommen ist dabei ein wundervoll melancholisches Regret-Pop-Album, das auch noch drei Jahre nach der Veröffentlichung süchtig macht nach mehr!