Foto-© Christian Cargill
Hair on the pillow,
Blood on the shirt.
Pieces of love.
Traces of dirt.
Turning the page,
Quick as a blink.
Forbidden to love.
Forbidden to think.
(Lump – Animal)
Lump ist ein Wesen, das sie 2018 erfunden haben. Die Masterminds Laura Marling und Mike Lindsey wollten ein Ventil, eine musikalische Leerstelle, die sie füllen konnten, wie immer sie wollten – unabhängig ihres bisherigen Schaffenskatalogs als Musiker*in. Also kreierten sie ein haariges Wesen, einen Anarcho, quasi den Alf des progressiven Pop, „half-cute and half dark and creepy”, wie sie ihn selbst beschreiben.
Das erste Lump-Album war als Experiment gedacht. Ob es überhaupt eine weitere Zusammenarbeit geben würde, war nicht klar, aber auch egal. Es ging um die temporäre Freiheit, Sounds und Songs zu ergründen und dem Lump in ihnen sein Freidrehen zu lassen. Er scheint nicht lange still gehalten zu haben: Marling und Lindsey haben sich erneut im Studio des Letzteren getroffen und in unmittelbarer, kurzer Session das Album Animal aufgenommen. Wichtig war ihnen, auch dieses Mal genug Distanz zwischen einander zu lassen. Die beiden Musiker*innen kennen sich so gut wie nötig, und das soll auch so bleiben. Ihre Nähe besteht aus den Klangwelten, die sie erschaffen, derer sie habhaft werden, weil sie sich nur auf ihre Instinkte verlassen.
Genau wie auf dem Lump-Debüt löst sich Lindsey von konservativen Instrumentierungen. Atmen im Stakkato, unausweichliche Basssaiten, verwaschene Dialogfragmente oder ein Harmonizer, H949 mit Namen (den man offenbar kennen sollte, wenn man entweder David Bowie Fan, Sound-Nerd oder einfach beides ist, wie Lindsey), werden verwoben mit Klarinette, Gitarre, Geigen und Synthies. Marlings Stimme und Lyrics stehen dabei im Prinzip gleichwertig neben den Instrumenten.
Mittlerweile am Meer lebend, hat Lindsey sich an die Gegebenheiten des Wassers angepasst, und dieses Mindset in die Musik einfließen lassen. Marling war währenddessen damit beschäftigt, einen erheblichen Teil ihrer selbst hinter sich zu lassen: Die Singer-Songwriterin Laura Marling verarbeitete ihre ernsten Gefühle und reellen Erfahrungen erst kürzlich in Form des grandiosen Albums Song for our daughter. Für Lump verschwinden Marling und Lindsey in einem parallelen Universum, wie sie selbst sagen.
Herausgekommen ist unangeschmiegter Pop, verquere Soundkollagen, die manchmal von Trance, mal Jazz, mal Folk durchsetzt sind. Dennoch findet man als Hörer*in immer gut hinein in die Kompositionen – auch wenn man zwischendurch einfach nur gespannt abwartet, was als nächstes passiert. Das Besondere ist, dass Animal zwar ganz eindeutige die Handschrift seiner Macher*innen trägt, aber nicht einfach ein Laura Marling oder Tunng Album ist, dem ein neues Etikett verpasst wurde (nicht, dass man sich darüber beschweren müsste, aber Matt Berningers Solo-Kram ist im Prinzip doch auch nur eine weitere The National Platte).
Lump steht ganz allein für sich – und würde vermutlich ordentlich auf die Barrikaden gehen, wenn dem nicht so wäre. Genau deshalb kann man bubbly-poppige Nummern wie We can not resist keinem Genre zuordnen oder beim balladenähnlichen Stück Red Snakes entscheiden, ob es um Blut, Bedrohung, Verzweiflung oder einfach nur einen Pool voller roter Schlangen geht. Vermutlich kann man das ganze Album am besten unter Avantgarde-Pop zusammenfassen, oder man scheisst auf Begriffsfindungen und gibt sich seinem eigenen, inneren Lump hin – gesetzt, dass man sich nicht allzu sehr vor dem fürchtet, was da so in einem zu finden ist.
Lump – Animal
VÖ: 30. Juli 2021, Partisan Records
www.lump.world
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