Foto-© Eliot Lee Hazel
Soy el fuego que arde tu piel
Soy el agua que mata tu sed
El castillo, la torre yo soy
La espada que guarda el caudal
Tu el aire que respiro yo
Y la luz de la luna en el mar
La garganta que ansio mojar
Que temo ahogar de amor
(Rodrigo Amarante – Tao)
So gnadenlos die Ohrwürmer häufig auch sein mögen, selten kennt man dann doch tatsächlich die Interpret*innen von Serien Soundtracks. Dass sich das Nachforschen an dieser Stelle manchmal lohnen kann, zeigt dieser Tage Rodrigo Amarante mit seinem zweiten Soloalbum Drama. Außerhalb Brasiliens vor allem bekannt durch das Stück Tuyo, dem Titelsong der Netflix-Serie Narcos, ist der Brasilianer in seiner Heimat bereits seit vielen Jahren ein Indie-Held. Dies nicht zuletzt durch seine Band Los Hermanos oder durch die Zusammenarbeit mit Gilberto Gil oder Fabrizio Moretti (The Strokes) und Bikini Shapiro als Supergroup Little Joy.
Im Vergleich zu seinem ersten Soloalbum Cavalo (2013) hat sich sein Stil deutlich in Richtung seiner musikalischen Heimat entwickelt. Während Cavalo vor allem ein düsteres Indie-Rock Album im Stil seiner Band Los Hermanos war, ist Drama nun die Symbiose aus seinem melancholischen Indie-Herz und dem Samba, den er bereits als Kind in der Schule lernte. So vermischen sich über elf Stücke tieftraurige Streicher mit (aus europäischer Sicht) fröhlichen, tanzbaren, lockerflockigen Rhythmen, Bläsersektionen und einem psychedelischen Indie-Nachdruck.
Dabei werden die einzelnen Bestandteile mal in Reinform präsentiert, wie auf dem cineastischen Streicher Intro Drama, oder dem brasilianisch-folkloristischen Tara, jedoch meist in einen Gesamtklang verwoben. Dazu singt er hauptsächlich auf portugiesisch und nur selten in englischer Sprache. Dies tut dem Genuss jedoch keinen Abbruch, transportiert doch die Musik selbst schon so viel. Die Welt, die sich dabei vor dem geistigen Auge erschließt, ist trotz ihres südamerikanischen Klangs universell, was nicht zuletzt an der zugänglichen Stimme Amarantes und seinem durch und durch melancholischen Gespür zu liegen scheint.
In dem Wust von Klängen und Gefühlen schafft der studierte Journalist es trotz der vielen übereinanderliegenden Spuren und des sich dadurch andeutenden Chaos‘ immer seinen Stil zu verteidigen und damit einen neuen Genre-Vorschlag zu liefern, der psychedelischen Rock mit den Spielarten südamerikanischer Folklore vereint. Vielleicht funktioniert die Kombination aus diesen vermeintlich entfernten musikalischen Enden deshalb so gut, weil sie gar nicht so weit entfernt sind. Denn auch in der brasilianischen Musik ist selbstverständlich Platz für melancholische und dramatische Stimmungen, die jedoch für das ungewohnte Ohr häufig durch die fröhlich klingenden Rhythmen überdeckt werden.
In diesem Sinne schafft Rodrigo Amarante mit Drama neue Zugänge zu südamerikanischer Musik für alle, die trotz sommerlicher Vibes gerne melancholisch bleiben. Spätestens jetzt sollte es den Narcos-Soundtrack nicht mehr brauchen, um Amarante auch in unseren Breitengraden als begnadeten Songschreiber anzuerkennen.
Rodrigo Amarante – Drama
VÖ: 16. Juli 2021, Polyvinyl
www.rodrigo-amarante.com
www.facebook.com/RodrigoAmaranteMusic
Rodrigo Amarante Tour:
27.04.22 Ampere, München
28.04.22 Stadtgarten, Köln
29.04.22 Nochtspeicher, Hamburg
30.04.22 Lido, Berlin