Foto-© Graham Tolbert
Der August bietet mal wieder geschmäckerlische Alben-Menüs, sonnenbetriebene Song-Ansammlungen, musikalische Fieberträume, Stillstand auf hohem Niveau, hässliche Wahrheiten, brutale Offenheit, fröhliches Kribbeln und eingängige Indie-Pop-Tunes…unsere Top-Alben des Monats!
1. Big Red Machine – How Long Do You Think It’s Gonna Last? (VÖ: 27.08.2021)
Wer so umtriebig und gut vernetzt ist wie die musikalischen Tausendsassa Aaron Dessner (The National) und Justin Vernon (Bon Iver), dem muss nicht Angst und Bange sein, dass man die Gästeliste für Beiträge auf Albumsongs bei anstehenden Projekten voll bekommt. Und so ist es auch beim zweiten Album des gemeinsamen Kollaborationsprojekts Big Red Machine, das in Form von How Long Do You Think It’s Gonna Last? am 27. August via Jagjaguwar / 37d03d erscheint! Es wurde von Dessner in seinem Long Pond Studio in Upstate New York produziert und zelebriert in 15 Songs seine einzigartige kreative Partnerschaft mit Vernon – und hält Beiträge von u.a. Taylor Swift, Ben Howard, Sharon Van Etten, Robin Pecknold (Fleet Foxes) und Lisa Hannigan bereit! Und trotz all der verschiedenen Köche, schaffen die beiden Masterminds es wieder ein extrem geschmäcklerisches Album-Menü zu servieren!
2. Lorde – Solar Power (VÖ: 20.08.2021)
Der neuseeländisch-kroatische Pop-Star Lorde macht all ihre Fans nach vierjähriger Durststrecke mit diesem Statement zuletzt unfassbar glücklich: „There’s someone I want you to meet. Her feet are bare at all times. She’s sexy, playful, feral, and free. She’s a modern girl in a deadstock bikini, in touch with her past and her future, vibrating at the highest level when summer comes around. Her skin is glowing, her lovers are many. I’m completely obsessed with her, and soon you will be too. It’s my divine pleasure to be introducing you, at long last, to my third studio album, SOLAR POWER.“ Dieses beschreibt sie weiter: „The album is a celebration of the natural world, an attempt at immortalising the deep, transcendent feelings I have when I’m outdoors. In times of heartache, grief, deep love, or confusion, I look to the natural world for answers. I’ve learnt to breathe out, and tune in. This is what came through.“ Bis auf den Titelsong und die aktuellen Single Stoned at the Nail Salon gibt es aktuell noch nichts daraus zu hören – aber wir erwarten nichts weiter als das nächste Highlight in der Discographie der Sängerin!
3. Villagers – Fever Dreams (VÖ: 20.08.2021)
Conor O’Brien sagt über die Entstehung seines fünften Studioalbums: “I had an urge to write something that was as generous to the listener as it was to myself. Sometimes the most delirious states can produce the most ecstatic, euphoric and escapist dreams.” Und so ist es dann auch gekommen, hat der doch eh nicht gerade um großartige Songs verlegene Ire hier doch ein flirrend, hypnotisches Album geschaffen, das an jeder Ecke funkelt, den Hörer surreal umgarnt und in magische Höhen befördert. Die Intention der Songs ist nie eindeutig und doch glasklar. Inspiration fand Conor beim nächtlichen Schwimmen auf einer holländischen Insel, bei Flann O’Brien, Audre Lorde, David Lynch, L. S. Lowry und in den Kompositionen von Piero Umiliani, Alessandro Alessandroni und dem Jazz von Duke Ellington und Alice Coltrane. Man kann sagen: so gut klang Villagers im langjährigen Schaffen noch nie – und das heißt etwas!
4. Jungle – Loving In Stereo (VÖ: 13.08.2021)
Das britische Produzentenduo Jungle steht seit der Veröffentlichung ihres selbstbetitelten Debüts, das zu jener Zeit kurzerhand den Zeitgeist-Sound neu definierte, für elektronisch anmutenden Disco-Soul, der sowohl aktuell, als auch schwelgerisch vervintaged daherkommt. Wer mit einem solch revolutionären, wie erfolgreichen Debüt den Durchbruch schafft, hat schonmal so seine Problemchen sich von da ab neu zu entwickeln – so auch J&T, die seitdem einfach in guter Schuster-bleib-bei-deinen-Leisten-Manier auf hohem Niveau sich im Sound des Debüts weiter suhlen und die Grenzen ihres eigenen Klangs marginal ausloten. In dieses Schema passt dann auch das Drittwerk, das immer noch funkelt, glitzert und begeistert – aber auch zeigt, dass diese Herren einfach nicht aus ihrer Haut können…aber hey, das müssen sie auch nicht…
5. IDER – shame (VÖ: 06.08.2021)
Das britische Duo IDER hatte einen Plan – nach Berlin ziehen, sich im Chaos der Großstadt treiben lassen, ihr zweites Album schreiben…kaum waren sie in Berlin sorgte Covid-19 für einen kompletten Shutdown: “We got there, and we got COVID four weeks later. We had three weeks of heaven where we wrote so much new music and it was everything we dreamed of, living that chaotic, no-routine lifestyle. We Thelma and Louised it back, because the messaging at the time was ‘if you don’t come back to London now, you never will‘.” Nachdem sie sich von den zwei Umzügen erholt hatten, arbeiteten die beiden zunächst im Haus von Markwicks Eltern im Norden Londons, bevor sie in die gemeinsame Wohnung in Bethnal Green zogen, die ihnen heute als Studio dient. Selbstakzeptanz ist die Essenz des Albums. Es ist die Idee, die dem Album seinen Namen gab und seine Entstehung beeinflusste. Es ist auch der Grund, warum IDER so offen sind – das Duo hat nichts zu verlieren und das ist belebend. Diese Verletzlichkeit hat die beste Musik ihrer Karriere hervorgebracht. Im Kern ist IDER eine klangliche Umgebung, in der die ungeschminkte, kompromisslose Wahrheit existieren kann. Aber wo eine andere Band die Wahrheit hinterfragt, umarmen IDER sie, egal wie hässlich sie ist.
Newcomer:
1. Orla Gartland – Woman On The Internet (VÖ: 20.08.2021)
In einer Welt von scheinbar allgegenwärtiger, unerreichbarer Perfektion ist die brutale Offenheit von Orla Gartland ein frischer Wind. Obwohl die Dubliner Songwriterin & Produzentin überaus erfolgreich ist, erzählt sie schonungslos von ihren Unsicherheiten, Fehltritten und Ängsten: “Ich befinde mich immer im work-in-progress-Status.” Die titelgebende Woman On The Internet ist ein Amalgam aus allen äußeren Umständen, die sich beeinflussen, einschüchtern, motivieren – „Aber ich habe gelernt, wer ich sein möchte – die woman on the internet hat keine Macht mehr über mich.” Voller großer Melodien und überbrodelnder Kreativität, umarmt die Irin dabei jegliche Strangeness, liebäugelt mit Pop, Indie, Folk und serviert so einige Ohrwürmer, die textlich hochemotional und einfach super sympathisch entwaffnend sind!
2. Nathan Ball – Under the Mackerel Sky (VÖ: 20.08.2021)
Schon seit einigen Jahren sorgt jeder neue Song des britischen Songwriters Nathan Ball für ein fröhliches Kribbeln bei uns – umso mehr derzeit, da mit Under The Mackerel Sky nun am 20. August auch endlich sein Debütalbum ansteht! Dieses ist geprägt von seinem Umzug von London an die Küste Cornwalls zu Beginn des Lockdowns und erzählt Geschichten vom Wandel, dem damit verbundenen Chaos (und auch der Ruhe darin), aber auch über länger zurückliegende Coming-of-Age-Einsichten. Und trotz der Elektronik ist es ein Album, das überraschend stark vom Folk inspiriert ist und das in jeder Lage, aus jedem Blickwinkel bewegt und berührt.
3. Indigo De Souza – Any Shape You Take (VÖ: 27.08.2021)
Indigo De Souza hat die Kreativität ihrer Eltern (ihr Vater ist Bossa-Nova-Gitarrist, ihre Mutter bildende Künstlerin) schon in die Wiege gelegt bekommen, bekam dann im Alter von 9 Jahre von ihrer Mutter eine Gitarre um ihre Schüchternheit abzulegen und fing mit 11 Jahren an Songs zu schreiben. Mit 16 zog sie dann nach Asheville – und traf dort auf Brad Cook (Bon Iver, Waxahatchee,…), der nun zusammen mit ihr das Zweitwerk Any Shape You Take produzierte. Darauf erkundet Indigo De Souza das menschliche Verhältnis zur Veränderung, die starren Kräfte, die sie verhindern, und schließlich die Freiheit, die damit einhergeht – zu eingängigen Indie-Pop-Tunes!
Wiederkehrer: Low Island – If You Could Have It All (VÖ: 16.04.2021)
Nachdem das Oxforder Quartett Low Island zuletzt ein Remix-Paket zu ihrem diesjährigen Album veröffentlicht hat – darunter mit Remixen von von namhaften Größen wie Ricardo Villalobos, The Juan MacLean, Alex Metric und Gerd Janson – packen wir auch das eigentliche Album wieder auf Rotation! Verkopfter Indie-Elektro-Mix, der an Bands wie die Klaxons, LCD Soundsystem, Caribou, Radiohead oder die Foals erinnert – verdammt gut, immer noch!