ISHMAEL ENSEMBLE – Visions Of Light


© Khali Ackford

Von A wie Alabaster DePlume bis Z wie Zara McFarlane, von alten Hasen wie Matthew Halsall bis zu den jungen Wilden wie Kamaal Williams, ploppt in den letzten Jahren ein Release nach dem anderen unter dem weiten Label UK Jazz auf – und eins haben sie gemeinsam: in beinahe absurder Verlässlichkeit gibt es jedes Mal gute Musik zu hören.

Irgendwo in dieser Aufzählung reiht sich auch Pete Cunningham ein. Der Multiinstrumentalist, der seit geraumer Zeit unter dem Namen Ishmael produziert, entzieht sich standesgemäß exakten Ortsbestimmungen. Nachdem er 2017 ein Ensemble um sich scharte, folgte vor zwei Jahren das gemeinsame Debütalbum. Anlässlich A State of Flow schwärmte der Guardian vom „Bristol-Sound ohne Pastiche“, Gilles Peterson war voll des Lobes und das Ishmael Ensemble spielte sich – mit Mastermind Cunningham am Saxophon – auf Compilations wie BlueNote Re:Imagined.

Jetzt erscheint mit Visions Of Light ein Nachfolger, der NeueinsteigerInnen gleich zu Beginn auf die falsche Fährte lockt. Denn Feather, mit dem das Album nach kurzem Intro einsteigt, will eher nach Matthew Halsalls Manchester statt Massive Attacks Bristol klingen: eine volle Ladung Spiritual Jazz, die Harfe, Sax und Kontrabass mitsamt dem schwebenden Gesang von Holysseus Fly da verbreiten. Doch schon geht die Clubtür zu und eine andere auf, so rasch wechselt Wax Werk zu minimalistischen Electronica-Beats – bis raspelnd das Saxophon zurückkehrt, die Schallschutzwände brechen und alles in einer wilden Jazz-Rock-Orgie endet.

Erst zehn Minuten sind vergangen, schon hat das Kollektiv seinen Anspruch unterstrichen, ohne große Verrenkungen zwischen den Soundwelten zu wandern. Glücklicherweise scheint es allen Beteiligten dabei völlig egal zu sein, ob das jetzt etwa Jazztronica oder Clubmusik mit Jazz-Einschlägen heißen soll. Nachdem sich Cunningham auf Soma Centre über erst rumpelnden, dann pumpenden Beats durch düstere Neo-Noir-Nächte sägt, kehrt man auf Empty Hands zu den heimatlichen Trip-Hop-Wurzeln zurück, um sie nach Lust und Laune zurecht zu stutzen.

Das mit Gästen gespickte Ensemble macht es sich in der zweiten Albumhälfte zwischen Streicherarrangements und Schachtelbeats eines Bonobo so bequem, dass die Überraschungseffekte des Einstiegs bald verfliegen. Trotzdem gilt weiter der Anfangssatz: wo UK Jazz draufsteht, ist verlässlich gute Musik zu hören. Und so haben auch Cunningham und sein Ishmael Ensemble einfach weitergemacht, im Vorbeigehen die Geburtsstadt des Trip-Hop auf die Jazz-Landkarte gepflanzt und ihrem Debüt mit Visions Of Light einen mehr als würdigen Nachfolger spendiert. Die nächsten Veröffentlichungen kann man sich wohl schon unbesorgt vormerken.

Ishmael Ensemble – Visions Of Light
VÖ: 6. August 2021, Severn Songs
www.ishmaelensemble.com
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