Suddenly, I see you everywhere
You’re always in my head
Never been so lost
Talk to me, it’s like you’re never there
It’s like you never care
That I’ve been so lost
(Jake Bugg – Lost)
In einer Zeit, in der alle zu elektronischen Popsongs von David Guetta und Co die Tanzflächen der Kleinstadt stürmten – es war 2012 – stand ich doll auf die Musik von jemand anderem: Jake Bugg war damals für mich die ersehnte und willkommene Abwechslung. Mit seiner Musik, einer Kombination aus frischem Folk-Sound mit Retro-Elementen, und dieser einzigartigen knarzigen Stimme, wurde er bei manchen sogar als Revolutionär der Folk-Musik gefeiert.
Fast 10 Jahre und etliche Veröffentlichungen später, ist nun am 20. August sein fünftes Studioalbum Saturday Night, Sunday Morning erschienen. Produziert von Steve Mac, der bereits unter anderem mit Ed Sheeran und Sam Smith zusammengearbeitet hat, gleicht es einem mittelgroßen Experiment: Jake Bugg traut sich was, hat Mut zu einem völlig anderen Musikstil – und kann damit leider nur teilweise überzeugen.
Mit einem klaren Fokus auf Popmusik – und einer Vorliebe zu wummernden Disco-Beats, antreibenden Synthie-Sounds und einprägsamen Melodien – schafft es Jake Bugg, in manchen Songs wie ein komplett neuer Artist zu klingen. Das muss erstmal nichts Schlechtes sein, denn tanzbar sind Songs wie der Opener All I Need oder die Single Lost, die beide sehr an Songs von John Newman erinnern, allemal. Und durch ihren energiegeladenen Drive erinnern sie dann doch irgendwie wieder an den alten Jake Bugg.
Problematisch ist eher, dass gerade die am Mainstream orientierten Popsongs durch ihre musikalische Umsetzung sehr ähnlich klingen und dadurch austauschbar, fast beliebig werden. Sie wirken vom Sound her, als wären sie eigentlich für eine andere Person geschrieben: Manchmal hört es sich so an, als wäre der 27-jährige Brite selbst ein bisschen überrascht, sich in seinen Songs wiederzufinden. Sie scheinen nicht so richtig zu ihm zu passen – und kommen den Hörenden dadurch wenig authentisch vor.
Die Texte sind gegenüber dem Sound eindringlich, auf den Punkt und teilweise sehr berührend – von enttäuschter Liebe, der Distanz zu anderen Menschen und der Überforderung durch Corona, sowie von der Betäubung durchs Feiern und durch den Rausch singt Jake Bugg auf seinem neuen Album. Leider werden die Messages seiner Texte und auch seine besondere Stimme teils vom überladenen, poplastigen Sound überlagert.
Anders aber bei Downtown: Seine unverwechselbare Stimme sticht in dieser ruhigen und gefühlvollen Ballade, die lediglich durch ein Klavier und hintergründige Streicher begleitet wird, sehr feinfühlig heraus – Gänsehaut vorprogrammiert. Auch Kiss Like The Sun kann punkten: Mit dem schnellen, rockig-bluesigen Gitarrenriff klingt der Track mehr nach dem Jake Bugg, den wir von vorigen Alben kennen und harmoniert deutlich besser mit seiner Stimme als die Popsongs.
Saturday Night, Sunday Morning ist ein Album, das man sich tatsächlich in Clubs vorstellen kann – also genau dort, wo man Jake Bugg 2012 nie vermutet hätte. Auch wenn das Album größtenteils von Popmusik geprägt ist, klingt es leider nicht so authentisch nach dem Künstler und auch nicht so glücklich, wie man das von diesem Genre erwarten würde. Jake Bugg hat ein Experiment gewagt und mit allen Mitteln eine krasse Stiländerung provoziert – ob er sich aber noch zum Pop-Phänomen entwickeln oder wieder dem Folk widmen wird, zeigt sich dann wohl erst in den nächsten Jahren. Wir bleiben gespannt.
Jake Bugg – Saturday Night, Sunday Morning
VÖ: 20. August 2021, RCA International
www.jakebugg.com
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