PROMISING YOUNG WOMAN – Filmkritik


Foto-© Focus Features

Who needs brains? They never did a girl any good.

(Cassandra – Promising Young Woman)

Cassandra (Carey Mulligan) ist jung, hübsch, klug und hatte mit dem Medizinstudium ein klares Ziel vor Augen. Nach einem sexuellen Übergriff auf ihre beste Freundin, der weder geahndet noch verfolgt wurde, ändern sich ihre Prioritäten. Mittlerweile steht Cassandra vor der 30, wohnt immernoch bei ihren Eltern, ist der Schrecken ihrer Kunden in dem Café, in dem sie arbeitet, und hat mit der Rache an Männern ein neues Ziel vor Augen. Abends zieht sie alleine los und wartet, gespielt angetrunken, auf Männer, die ihre Hilflosigkeit ausnutzen wollen. Als jedoch Ryan (Bo Burnham), einer der wenigen Kunden, die sich nicht von ihr vergraulen lassen, hartnäckig charmant versucht eine Beziehung zu ihr aufzubauen, beginnt sie zu zweifeln, ob wirklich alle Männer schlecht sind.

An Promising Young Woman scheiden sich die Geister. Emerald Fennels Spielfilmdebüt gibt sich oberflächlich zuckersüß und ist farbenfroh und mit viel Humor inszeniert. Gleichzeitig könnte die Thematik grausamer nicht sein und die Dialoge und Stellungnahmen zu der Handhabung von Vergewaltigung sind hart und realistisch. Ebenso ist der Plot teilweise wie aus dem Leben gegriffen, dann aber wieder völlig überzeichnet. Auf diese Ambivalenz muss man sich als Zuschauer einlassen wollen und sie bestenfalls genießen können. Denn im besten Fall hilft einem die charmante Inszenierung, die an sich sehr deprimierende Geschichte besser verdauen zu können – was nötig ist, denn beschönigt wird hier gar nichts. Gleich die Eröffnungssequenz in der sich Cassandra als Opfer anbietet und direkt von einem Typen mit nach Hause geschleppt wird, verheißt nichts Gutes und setzt den deprimierenden Grundton. Denn anstatt zu helfen schenkt er der augenscheinlich schon völlig betrunken noch einen kräftigen Drink ein und drängt sie auf sein Bett. Auch im weiteren Verlauf kommen Männer, aber auch Frauen nicht gut weg. Wirklich niemand scheint Reue zu verspüren oder den Status Quo von jungen Frauen als verbesserungswürdig einzustufen. Einzige Ausnahme hiervon ist eine von Alfred Molina unglaublich emotional gespielte Schlüsselfigut im Film, welche in perfekter Ironie nicht in den Credits auftaucht.

So ist der Film letzten Endes auch deshalb unangenehm, da man sich ob all der Ungerechtigkeit dabei ertappt Cassandras Selbstjustiz und Rache zu unterstützen. Ihr immer wieder zu wünschen, dass sie mit ihrer Mission, ihre Freundin und das Grauen, das ihr angetan worden ist, nicht in Vergessenheit geraten zu lassen erfolgreich ist oder dass sie zumindest nicht aufhört dafür zu kämpfen. Obwohl der Film auch zeigt, dass sie sich dabei selbst zerstört. Sicher kein einfacher, aber definitiv ein wichtiger Film, der es schafft ein wichtiges Thema zu Sprache zu bringen und es nicht so verdaulich wie möglich verpackt, sondern diese Verpackung sogar nutzt um die Botschaft zu unterstreichen. Denn fast alle Figuren im Film geben sich nach außen als wäre alles gut und versuchen die Schatten der Vergangenheit zu verdrängen, zu verstecken und zu überschminken. Sowohl inhaltlich als auch inszenatorisch absolut sehenswert.

Promising Young Woman (UK 2020)
Regie: Emerald Fennel
Cast: Carey Mulligan, Bo Burnham, Alfred Molina, Ray Nicholson, Jennifer Coolidge
Kinostart: 19. August 2021, Universal Pictures International Germany

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Malte Triesch

Malte wuchs im idyllischen Lilienthal, direkt an der Grenze zu Bremen, der schönsten Stadt im Norden Deutschlands, auf. Seine frühesten Film-Erinnerungen ist, auf dem Schulhof in der neusten TV Movie alles anzustreichen was gesehen und aufgenommen werden muss. Da die Auswahl an Horrorfilmen hier doch recht be- oder zumindest stark geschnitten war entdeckte er Videotheken für sich bzw. seine Mutter, da man diese ja erst ab 18 betreten durfte. Wenn er nicht gerade Filmreviews schreibt ist er wahrscheinlich im (Heim-)Kino oder vor dem Mikrophon für den OV Sneak Podcasts, SneakyMonday.

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