Foto-© Danny Clinch
A mattress on a hardwood floor
Who could ever ask for more?
I‘ll get up and cut the grass,
Ain‘t nothing wrong with working class
(The Killers – Pressure Machine)
Es soll ja Leute geben, die auf Bescheidenheit und Sparsamkeit stehen. Zu ihnen gehören The Killers nicht. Sie klotzen, wo es nur geht, ignorieren Produktionskosten, rochieren zwischen Classic- und Prog-Rock, Post-Disco, Synthpop und Grunge-Extrakten, lassen sich (wie auf Imploding The Mirage) von k.d. lang, Lindsey Buckingham, Adam Granduciel und Natalie Mering begleiten und gestatten Sänger Brandon Flowers den Auftritt des großen Zampanos. The Killers lieben das Leben auf der Überholspur, Gigantomanie ist ihr Ding.
Doch nun waren auch sie gezwungen, auf die Bremse zu treten. Keine großen Tourneen mehr, nur noch home sweet home. So hatte Flowers Zeit, an seine Jugend zu denken, als er in Nephi im Bundesstaat Utah lebte. Scheinbar war das nicht immer angenehm, wenn man dem Aufschrei zu Beginn trauen darf: “THEY GOT ME FOR POSSESSION OF ENOUGH TO KILL THE HORSES THAT RUN FREE IN THE WEST HILLS!!!” Drogengeschichten, Blutvergießen, Besuche vom Sheriff, puh! Das alles bei The Killers, echt wahr. Quiet Town ist zugänglicher, aber deshalb noch lange nicht harmlos: “When we first heard Opioid stories, they were always in whispering tones, now banners of sorrow mark the frontsteps of childhood homes.” Zur Beruhigung reicht die Band den Folk-Song Terrible Things, der an ruhige Springsteen-Alben erinnert. Inklusive Mundharmonika und Rodeo-Geschichten.
Sleepwalker ist ein eher typischer Beitrag mit Eroberer-Refrain. “Everyone is afraid of losing, even the ones that always win”, heißt es hier. Die Produktion bleibt zurückhaltend, die Atmosphäre angespannt. In Runaway Horses singt Phoebe Bridgers unauffällig mit, es geht nicht um Ausschlachten von Star-Potential. In The Car Outside ist eine Freude für alle, die was in der Art der Achtziger haben wollen. Zum Glück ist es kein Alphaville-Abklatsch mit Meat-Loaf-Produktion. Sogleich wird es ernster. “Is this the life that you chose? Natürlich ist es das nicht. I spent my best years laying rubber on the factory line, I wonder what I would have been in another life.” Die Melodie lässt an eine bessere Welt denken. Immerhin.
Irgendwann, denkt man, muss die Band doch mal nachlassen, wie alle nach ein paar Tracks. Nichts da, Pressure Machine ist bis zum Ende gut. Der Titelsong ist einer der abenteuerlichsten mit Thom-Yorke-Tonfall und Fiedel-Outro. “But the kingdom of God, it‘s a pressure machine, every step, gotta keep it clean”, lässt Flowers verlauten. Religion spielt hinein, Utah ist ja als Mormonen-Staat bekannt. The Getting By kommt zum Schluss, klingt einladend, ein bisschen versöhnend wie eine Grußadresse von Bono.
Flowers lebt jetzt wieder nicht weit weg von Nephi, dort sieht er alles bodenständiger. Weit weg von bombastischen Fantasien, in die er sich sonst verstrickt. So fällt Schlacke ab, wird Substanz gewahr. Interessant ist auch die Hinwendung zum Storytelling, sie ist in dieser ausgedehnten Form neu. The Killers waren immer auch eine Band mit britischen Einflüssen. Jetzt klingt es vollamerikanisch, bepackt mit Verwunderung über Gegensätze und Gefahren, die in diesem Land stecken. Allein schon der Stacheldraht und die Totenkreuze auf dem Cover! Es ist Druck auf dem Kessel, das spürt man an Ecken und Enden. Auf dieser Basis ist der Band das beste Album seit langem gelungen. Gespenstisch, intensiv, echt, komplett packend. So bitte immer.
The Killers – Pressure Machine
VÖ 13. August 2021, Island
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