Der blinde Norman (Stephen Lang) wohnt zurückgezogen in einem kleinen Haus außerhalb der Stadt. Gemeinsam mit seiner Ziehtochter Phoenix (Madelyn Grace) und dem Hund Shadow lebt er nahezu komplett isoliert von anderen Menschen. Diese augenscheinliche Ruhe wird zerstört, als eine Gruppe von Einbrechern in sein Haus eindringen. Doch ist weder das Duo so wehrlos wie die Eindringlinge vermuten, noch wollen die Einbrecher schlicht die Wohnung plündern. Es entfaltet sich eine Spirale der Gewalt, im Rahmen derer alte Wunden aufbrechen und viele neue geschlagen, geschossen und gehackt werden.
Helden sterben entweder als solche oder leben lange genug um selbst zum Antagonisten zu werden. Das Gleiche gilt umgekehrt auch für Bösewichte in Filmen. Dass ausgerechnet Norman, Stephen Langs blinder Psychopath aus dem 2016er Home Invasion-Film Don’t Breathe dieses Schicksal zu Teil wird, hätten wohl jedoch nur wenige erwartet. Doch Don’t Breathe hat sich zu einem kleinen Überraschungserfolg mit einer treuen Fangemeinde gemausert und auch wenn Norman ein maximal fragwürdiger Protagonist ist, mit einem anderen Twist, als ihn zum Helden zu machen, hätte man nicht nahezu alle Elemente des ersten Teils unterbekommen können. So wird erneut bei Norman eingebrochen und im Laufe des Films werden die Täter langsam zu Opfern, mit dem Unterschied, dass der Zuschauer dieses Mal auf Normans Seite steht und das Geschehen auch größtenteils aus seiner bzw. der Sicht seiner Tochter verfolgt. Besonders zu Beginn ist das Katz- und Mausspiel dabei sehr gekonnt inszeniert, wenn die Kamera, wie in einem Third-Person-Shooter, Tochter Phoenix folgt, dabei um Ecken schwingt und dynamisch zwischen Jäger und Gejagtem wechselt. Ein bisschen über das Ziel hinaus geschossen ist man jedoch bei der allgegenwärtigen Dunkelheit. Diese ist zwar passend zu Thematik und Stimmung, jedoch gehen dabei so viele Bilddetails verloren, dass man als Zuschauer, besonders in schneller geschnittenen Actionszenen, nahezu orientierungslos ist. Dies kann eigentlich kein Stilmittel sein, um die Blindheit des Protagonisten zu simulieren, denn von Anfang ist klar, Norman ist eine nahezu perfekt funktionierende Killermaschine. Und so wechselt Regie-Debütant Rodo Sayagues recht schnell von dem Suspense / Home Invasion-Genre des Erstlings (dessen Regisseur Fede Alvarez dieses Mal produziert) hin zu einem harten Revenge-Thriller. Gewalt wird gnadenlos zelebriert und soweit es die Ausleuchtung zulässt, auch in allen Details gezeigt. Norman kommt bei all der Gewalt, die zu großen Stücken von ihm ausgeübt wird, nur deshalb gerade noch so als Antiheld durch, weil die ganze Welt, einer Endzeit nahe, heruntergekommen dargestellt und die Eindringlinge fast Comic-haft sadistisch, sowie psychopathisch überzeichnet werden.
Wobei diese Reduzierung des Protagonisten der Leistung von Stephen Lang nicht ganz gerecht wird. Denn er spielt nicht nur die von Alter und Krieg gezeichnete Killermaschine überzeugend, er schafft es auch tatsächlich glaubwürdig ein wenig Reue und Mitgefühl durchblicken zu lassen. Er ist schlicht wesentlich besser als das Drehbuch. Wer mit drastischer Gewaltdarstellung und der visuellen, wie inhaltlichen Dunkelheit des Films klarkommt, kann durchaus einen Blick riskieren. Wer Bock drauf hat Stephen Lang noch mal richtig aufspielen zu sehen und ein paar Typen, die es echt verdient haben, zu Klumpen zu hauen, wird einen richtig guten Abend haben.
Don’t Breathe 2 (US 2021)
Regie: Rodo Sayagues
Cast: Stephen Lang, Madelyn Grace, Adam Young, Christian Zaiga, Rocci Williams, Stephanie Arcila, Fiona O’Shaughnessy
Kinostart: 09.09.2021