Foto-© Jamal Burger
Wählerisch sind BADBADNOTGOOD nie gewesen. Ob Neu-Interpretationen von Joy Division und Legend of Zelda (BBNG, 2011), ein ganzes Album mit Wu-Tang-Mitglied Ghostface Killah (2015) oder Zusammenarbeiten mit Produzent Kaytranada neben Colin Stetsons flatterndem Saxophon (IV, 2016) – die kanadische Jazzband scheut nicht davor zurück, die Spannbreite ihrer Einflüsse zu zeigen. Unverwechselbar blieb dabei ihr Sound aus präzisen Beats und kristallklarem Rhodes, der seine HörerInnen wie ein unter höchster Konzentration gebändigtes Raubtier umschlich. Fünf Jahre nach dem letzten Studioalbum wirft die auf ein Trio geschrumpfte Kernbesetzung – Gründungsmitglied Matthew Tavares verließ die Band 2019 – aus Chester Hansen (Bass), Leland Whitty (Gitarre und Holzbläser) und Alexander Sowinski (Drums) die bereits beim Vorgänger IV gelockerten Fesseln endgültig ab.
Das zehnminütige Signal From The Noise markiert zu Beginn den Übergang vom früheren Signature- zum neuen, weit ausholenden Sound, der unter üppigen Streicherarrangements in den nächsten Minuten alles zusammenführt: ob virtuose Piano-Soli, weit weg von Hip-Hop-Wurzeln, oder verzerrte Improvisationen über einer schrill rotierenden Hammond-Orgel – BBNG schöpfen wie immer aus dem Vollen, aber eben anders als zuvor. Trotz des Verzichts auf Vocal-Features ist die Gästeliste gewohnt illuster: zur Hälfte der acht Songs hat die brasilianische Produzenten-Größe Artur Verocai süffige Streicher beigetragen, Unfolding (Momentum 73) wabert zum ätherischem Zither-Spiel von Ambient-Guru Laaraji dahin, bis Hansens Bass losläuft und Whitty Schnörkel in die große Leere bläst, und zu Beside April nahm Karriem Riggins hinter den Drums Platz.
Zwei Jahre feilte man an den Songs, um improvisations-getragenes Live-Gefühl und nerdigen Perfektionismus unter einen Hut zu bringen. In der Summe zeigen sie den weiten Weg der Band: von maskierten College-Kids, deren pumpende Beats Jazz-Nörgler*innen als zu rudimentär befanden, über den Status als Everybody’s Darling des Hip-Hops zu gestandenen Größen beider Welten. Da fällt es nur im strengen Vergleich zu den Vorgänger-Alben ins Gewicht, dass Talk Memory mit seinen 70er-Jazz-Rock-Vorbildern nicht nur Kollektiv-Gedanken und kinotauglichen Sound, sondern auch die größte Schwäche teilt: kein Song drängt sich so nachhaltig in den Vordergrund wie ein Can’t Leave The Night oder nur ein Speaking Gently. Stellenweise machen BBNG auf Hochglanz polierte Hintergrundmusik, ebenso vielseitig wie ausgewogen – und doch ertappt man sich beim Warten auf die Stimmen früherer Gäste wie Charlotte Day Wilson oder Samuel T. Herring.
Eine weitere fünfjährige Pause lässt sich mit Talk Memory vielleicht nicht so leicht überbrücken, aber das sollte auch gar nicht nötig sein: Für Ende 2022 hat die Band immerhin vier Konzerte in Deutschland angekündigt, die es allen recht machen dürften, die auf so hohem Niveau noch etwas zu meckern finden.
BADBADNOTGOOD – Talk Memory
VÖ: 08. Oktober 2021, XL Recordings
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BADBADNOTGOOD Tour:
24.11.22 Markthalle, Hamburg
25.11.22 Huxleys, Berlin
29.11.22 Muffathalle, München
04.12.22 Carlswerk Victoria, Köln