THE WAR ON DRUGS – I Don’t Live Here Anymore


Foto-© Shawn Brackbill

Time surrounds me like an ocean
My memories like waves
Is life just dying in slow motion
Or getting stronger everyday?

(The War On Drugs – I Don’t Live Here Anymore)

Über fünfzehn Jahre zu einer der wohl größten Alternative-Rock-Bands unserer Zeit gewachsen gönnten sich The War On Drugs nach der Grammy-Auszeichnung ihres Albums A Deeper Understanding im Jahr 2018 nur einen knappen Monat Auszeit, ehe sich der Kern der Band um Adam Granduciel, Bassist Dave Hartley und Multi-Instrumentalist Anthony LaMarca nach Upstate New York zurückzog, um an neuen Demos zu arbeiten. Über eine Zeitspanne von drei Jahren mit unzähligen Sessions in sieben verschiedenen Studios aufgenommen – inklusive den legendären Klangstätten des Rocks wie das Electric Lady in New York oder das Sound City in Los Angeles – sollte der Kern des neuen mittlerweile vierten Studioalbum I Don’t Live Here Anymore der aus Philadelphia stammenden Band dieses Mal einen ganz besonderen Erkenntnis in sich tragen und weitergeben: Die Kraft des wechselnden Blickwinkels auf die Dinge, um auch im Angesicht der Verzweiflung vielleicht durchhalten zu können.

Als Songwriter wie auch Produzent hat Adam Granduciel es schon immer verstanden, in den Songs seiner Band verschiedene Welten zu vereinen: Hier werden Rock-Hymnen der Hausnummer eines Bruce Springsteens mit dem Feingefühl der Texte eines Bob Dylan versehen, um schlussendlich in dem für The War On Drugs typischen Sound aus hypnotischen Gitarrenschichten zu etwas ganz Einzigartigem zu gedeihen. Für die insgesamt zehn neuen Stücke galt es für Granduciel zwei innere Gefühlswelten in Einklang zu bringen, die verschiedener nicht sein könnten: das Gefühlshoch nach einer frischen Grammy-Auszeichnung und die Frage nach dem Sinn. “Is life just dying in slow motion / Or getting stronger everyday?”, fragt das Titelstück der Platte getragen von Synthie-Akkorden und Gitrarrenmotiven, die jeden Moment in ein schwebendes Solo ausbrechen könnten. Schnell wird klar, dass hier zwischen Selbstreflexion und Zukunftsängsten der Blick nach innen auf der Suche nach Mut und Hoffnung im Mittelpunkt steht. Nur verständlich auch, dass eine Jahrhundertpandemie hier ihren Beitrag zwischen den Alben getan hat, sodass Granduciel weiter feststellt: “Been so afraid of everything / I need a chance to be reborn.”

Auch der als erste Single ausgewählte Opener Living Proof klingt unter dem Strumming der Akusitkgitarre und nahezu zerbrechlichen Klaviertönen wie die geflüsterte Erkenntnis eines Mannes, der nach langer Introspektive jedes einzelne Wort mit großer Sorgfalt wählt: ​​“I know the path / I know it’s changing / I know the pain.” Selten klang ein Song so ehrlich und direkt – etwas, dass sich auch in der für dieses Stück eher untypischen Live-Einspielung widerspiegelt, werden ansonsten die Alben von The War On Drugs von Granduciel doch üblicherweise eher durch eine Vielzahl von Overdubs im Studio kreiert. Doch werden auf diesem Album nicht nur schwere Gefühle geborgen und eingestanden – auch die kathartischen nächsten Schritten nach dem Mut schenkenden Blickwinkel auf Vergangenes finden ihre Momente. I Don’t Wanna Wait ist einer davon: Schon nach dem ersten Klicken der Drummachine in einem schier endlos wirkenden Raum wird man ganz Ohr, wenn Granduciel singt: “I don’t wanna wait / But I’m turning to you / The start of the breaking of day / Show a little faith.” Zu gerne nehmen wir das Angebot von The War On Drugs an, schnaufen einmal kurz durch und erkennen, dass Hoffnung und Mut uns mal wieder – auch nach der dunkelsten Stunde – an die Hand nehmen.

The War On Drugs – I Don’t Live Here Anymore
VÖ: 29. Oktober 2021, Atlantic
www.thewarondrugs.net
www.facebook.com/thewarondrugs

The War On Drugs Tour:
02.04.22 Berlin, Verti Music Hall
07.04.22 München, Zenith
20.04.22 Köln, Palladium
21.04.22 Wiesbaden, Schlachthof

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Robert Heitmann

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