YARD ACT – The Overload


Foto-© James Brown

Play the standards
And don’t get political
I know what that dickhead singers like
He’ll end up in the back of an ambulance
With the mic stand rammed up his arse twice over
All because he couldn’t ignore the flag and be polite

(Yard Act – The Overload)

An den altherrenhaften Rat, den Sänger James Smith zu Beginn von The Overload herausonkelt, hält sich im Vereinigten Königreich schon lange niemand mehr. Denn ob Squid oder Shame, Billy NoMates oder Dry Cleaning, ob aus Hull, Bristol oder London – eines hat der vage unter Post-Wave, Post-Punk oder immerhin Post-Brexit firmierende Strom an Musiker*innen gemeinsam, wie NPR Music im vergangenen Mai bei einer Bestandsaufnahme feststellte: Längst nicht alle Songs verstehen sich als politisch – und trotzdem sprechen aus ihnen unverkennbar Pessimismus und Enttäuschung über die Zukunft der Insel. Ja, „Music in politics is very prominent at the moment“, bemerkt auch Smith bei Loud&Quiet, aber ganz so einfach wollen es sich Yard Act trotzdem nicht machen: „It’s all very much like ‘Tories are bad’, and we already know that!“

Leicht schien es die vierköpfige Band aus dem nordenglischen Leeds zu Beginn sowieso nicht zu haben: Eben von Smith und Bassist Ryan Needham gegründet und drei Konzerte gespielt, scheuchte der erste Corona-Lockdown im Frühjahr 2020 sie schon wieder von der Bühne. Und dann? Dann schafften es Yard Act mit ihren ersten Singles zu BBC 6 Music, in den Soundtrack von EAs millionenschweren FIFA 22 und zur neuen Lieblingsband von Elton John. Ein respektabler Hype zwischen all den Post-Etwas-Bands im selbstbetitelten Land Of The Blind – und das alles trotz (oder dank?) politischer Songs, die mehr als den kleinsten gemeinsamen moralischen Nenner des Indie-Publikums für sich beanspruchen?

Vielleicht liegt es daran, dass Yard Act auf ihrem von Vorschusslorbeeren begleiteten Debüt klingen wie die Sleaford Mods auf Steroiden, ohne sich dabei in eine Blase eigener Überlegenheit zurückzuziehen. Über das Selbstverständnis der am Tresen vergessenen Grahams spötteln, trockene Witze über das harte Leben der Reichen machen (“the last bastion this once great country had was its humour”, hält Smith schließlich auf Dead Horse fest), vom Sprechgesang im Yorkshire-Dialekt zu verlässlich im Ohr haftenden Refrains wechseln und ein Sound zwischen Talking Heads, einer Ahnung Gil Scott-Heron und einer langen Liste britischer Referenzen – das trägt mühelos über die erste Albumhälfte hinaus.

Müde Aktivisten, Antikapitalisten am Schreibtisch und Leute, die angesichts der faulen Tricks um sie herum lieber die Augen verschließen: Smith breitet ein reichlich trostloses Panorama aus, das seine Band mit kreischenden Synthesizern, funky Gitarren und schepperndem Up-Beat mal zu unterstreichen, mal zu kontern weiß. Heraus kommen Songs, die an die Fotos eines Martin Parr erinnern: Tristesse in schreiend bunten Farben. Den heimlichen Höhepunkt des Albums nimmt Tall Poppies ein, eine sechsminütige Erzählung über das bescheidene Leben eines Fußballtalents aus dem Großraum Manchester, die nicht nur mit der Struktur der anderen Songs bricht, sondern samt bedrückendem Spoken-Word-Outro zwischen Witzen über und Mitgefühl für große, geplatzte Träume wandert.

„It’s hippie bullshit but it’s true“, kokettiert Smith mitten im überraschend optimistischen 100% Endurance, das dem Album einen runden Schluss beschert. Wer sich für so ein Happy End nicht zu schade ist, wird schon damit klarkommen, plötzlich auf der Erfolgswelle um eigentlich längst totgesagte Typen-mit-Gitarren-Bands zu surfen. Bleibt zu hoffen, dass die Jahresbestenlisten im nächsten Dezember sich noch an The Overload erinnern – und Yard Act eine zur Abwechslung mal Lockdown-freie Tour zu wünschen.

Yard Act – The Overload
VÖ: 21. Januar 2022, Island
www.yardactors.com
www.facebook.com/YardActBand

Yard Act Tour:
05.02.22 Hamburg, Molotow
09.02.22 Berlin, Badehaus
10.02.22 Köln, Blue Shell

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