Foto-© George Muncey
Benzo timeline
Cuts smiles to straight lines
I’m happier when you’re gone
(alt-J – Happier When You’re Gone)
Eine neutrale Meinung zu alt-J gibt es scheinbar nicht. Entweder man liebt sie oder versteht den Szene-Hype einfach nicht. Einst die schrägen Außenseiter, auf die sich anfangs keiner so richtig einen Reim machen konnte, katapultierten sie sich mit ihrer anspruchsvollen, eklektischen Indiemusik schnell zu einer der wichtigsten Bands dieser Musik-Ära. Die ersten zwei Alben, An Awesome Wave und This Is All Yours, sind moderne Klassiker.
Nur Album drei, das im Sommer 2017 erschien, konnte sich da nicht einreihen. RELAXER hatte seine Stärken (mit Songs wie In Cold Blood und Death Crush), aber war mit seinen nur acht Tracks keine runde Sache. Das kritisierten nicht nur die typischen Kritiker:innen, sondern auch die treue alt-J-Fanbase lautstark. Es fehlten die lieb gewonnene Absurdität, das Storytelling, die Kontroversität. Längst hatten sie den Weg für Bands wie Glass Animals und Portugal.The Man (die im selben Jahr ihren viralen Hit Feel It Still veröffentlichten) geebnet und waren dabei selbst davon abgekommen.
Sie versprachen, es wieder gut zu machen. Mit The Dream, dem vierten Album der Briten, ist das jetzt überraschend gut gelungen. Schon mit dem Opener Bane ist klar: Das Storytelling kehrt zurück. Sie eröffnen eine eigene Welt, statt sich in der gegenwärtigen einzureihen. Endlich wird wieder gelayert was das Zeug hält, mit jedem Durchhören erschließen sich neue Elemente. Die Texte sind kryptisch und die erzeugte Stimmung fast schon physisch spürbar. Sie können noch immersiv. Und verdammt können sie das gut, bei Happier When You’re Gone steigen einem die Tränen in die Augen, alles ist ganz warm. Vertraut und doch erfrischend.
Bis Chicago in der Mitte plötzlich auseinander zu brechen scheint. Vom wohligen 2010er-alt-J-Vibe geht es kopfüber in eine düstere New Wave-Welt, harte Beats und immer näher kommende Sounds prassen nur so auf einen ein. Und als wäre das nicht schon genug, kommen noch Chöre dazu. Wow wow wow. Ist das der beste alt-J-Track jemals? Kurz vorm Schluss (wir kommen in den Genuss von 12 langen Tracks) ist Losing My Mind ein weiteres dunkles Highlight der Platte, das mit Hall und Orgelklängen etwas Kirchliches hat. Powders schließt The Dream ab, wiegt die Hörenden langsam auf seinen Wellen zurück in den kalten Februar zurück und gibt dem Album einen (würdigen) Abschluss.
The Dream ist ein Zelebrieren des wahnsinnigen Talents, das in Joe, Gus und Thom steckt. Das gewisse Etwas, das alt-J so einzigartig, kaum greifbar macht. Es ist noch früh, aber auch schon jetzt ist es eins der besten Alben des Jahres.
alt-J – The Dream
VÖ: 11. Februar 2022, Infectious Music
www.altjband.com
www.facebook.com/altJ.band
alt-J live:
11.06.22 Tempelhof Sounds, Berlin
07.11. Sporthalle, Hamburg
09.11. MHP Arena, Ludwigsburg
10.11. Zenith, München
23.11. Palladium, Köln