Foto-© Cate Le Bon
All my life in a sentiment
All my language is vulgar and true
I‘ve pushed love through the hourglass
Did you see me putting pain in a stone?
(Cate Le Bon – Pompeii)
Sie wollte die gewohnte Umgebung verlassen, dachte an Chile oder Norwegen. Dann machte die Pandemie weite Wege unmöglich. In der Not fiel Cate Le Bon ein Haus in Cardiff ein, in dem sie vor 15 Jahren lebte, als Nachmieterin von Gruff Rhys. Es wurde wieder frei, also nistete sie sich mit Tim Presley (White Fence, Drinks) ein. Schnell überwältigten sie die Eindrücke, verglich sie, wie es damals war, wie es heute ist. Davon handelt Dirt On The Bed, der erste Track auf ihrem sechsten Album. „Sound doesn‘t go away in habitual silence, it reinvents the surface of everything you touch“, überlegt sie in einer Stimmlage, die an Laetitia Sadier erinnert.
Dieses Mal lief einiges anders. Die Songs auf dem Vorgänger Reward entstanden zu später Stunde am Piano im nordenglischen Lake District. Tagsüber besuchte Cate einen Tischlerkurs. Dieses Mal spielte sie in der Pandemie bis auf Saxofon und Schlagzeug alles selbst ein. Das betrifft vor allem den Bass. In Moderation stolziert sie mit dem Instrument durch eine andere Dimension des Daseins. Sie erkundet magische Zwischenräume und ist im Ergebnis gar nicht weit weg von dem, was Roxy Music beim Gang durchs Avalon angedacht hatten. Aber Achtung, Cate kopiert nicht! Ein anderes Hauptinstrument auf dem Album ist der eigentlich betagte Synthesizer Yamaha DX-7. Ihn haben andere wahrlich zur Genüge gespielt. Doch irgendwie gelingt es dieser Frau, ihn nicht althergebracht nach Synthpop klingen zu lassen. Um ein Revival geht es ihr nicht. Sie sucht nach Puzzleteilen, die ihren Sound komplettieren, zum Beispiel über den Bass. Jetzt ist sie einen großen Schritt weitergekommen.
Eigenheiten gibt es. Als britische Bürgerin äußert sich Cate natürlich zum Verhältnis zu den Nachbarn auf der anderen Seite des Ärmelkanals. „French boys take time away, so cold, faces like lakes, collaged against rocky terrain, so quiet, but I sense what they‘re saying.“ Genau darum geht es ihr, ums sensing, ums Erahnen, Erspüren, Abfühlen, in poetischer Sprache. Eine Melodie schleicht sich gerne ein, besonders gefällt die in Remembering Me. Manchmal wird es abenteuerlich und wunderlich, wenn sie wie im Titelsong auf vergangene Epochen rekurriert („Did you dream about Pompeii? Your eyes always give it away. Cities built on monumental rage, getting lost in the seminar“). Aber es klingt nie trocken oder abgehoben. Diese Musik ist anspruchsvoll und zugleich auf entwaffnende Art zugänglich. In der Summe wunderbar bezaubernd.
Wie gut Cate es macht, sieht man am Ansehen, das sie als Produzentin genießt. Deerhunters Album Why Hasn‘t Everything Already Disappeared? entstand unter ihrer Aufsicht, ebenso John Grants Boy From Michigan. Vor kurzem hat sie sich mit Devendra Banhart in der Topanga-Schlucht in der Nähe von L.A. in ein Haus einquartiert, in dem Neil Young einst an After The Gold Rush saß. Dort nimmt sie bestimmt wieder Echos oder Signale auf, aus denen was wird. Wir sind gespannt.
Cate Le Bon – Pompeii
VÖ: 4. Februar 2022, Mexican Summer/Membran
www.catelebon.com
www.facebook.com/CateLeBon
Cate Le Bon Tour:
02.04.2022 Manufaktur, Schorndorf
03.04.2022 UT Connewitz, Leipzig
05.04.2022 Frannz Club, Berlin
06.04.2022 Nochtspeicher, Hamburg