Foto-© Capelight Pictures
Es gibt bislang keinen Beweis dafür, dass das Alvin Virus für die Unruhen verantwortlich ist.
(Nachrichtensprecher – The Sadness)
Ein schon länger schwelendes, aber dann plötzlich mutierendes Alvin Virus verwandelt mit rasender Geschwindigkeit alle Bewohner Taiwans in einen zombieartigen Mob, der auf das brutalste mordend und vergewaltigend durch das Land zieht. In den Irrungen und Wirrungen dieser Panik voneinander getrennt versucht das junge Paar Jim (Berant Zhu) und Kat (Regina Lei) zueinander zu finden, um gemeinsam dem Chaos entrinnen zu können.
Zombiefilme sind ja seit dem ersten großen Revival durch George A. Romero ein gerne genutztes Vehikel für Gesellschaftskritik. Sie bieten sich als Spiegel unser Selbst an und zeigen uns die traurige Wahrheit, dass das größte Problem der Gesellschaft am Ende immer die Menschen selbst sind. So dauerte es natürlich nicht lange bis die ersten „Corona Zombiefilme“ erschienen. The Sadness ist hier keineswegs der Anfang, das war der hastig zusammengestückelte Corona Zombies (2020), sondern lediglich ein erster Höhepunkt. Ein Höhepunkt einerseits deshalb, weil er sich in seinen wenigen ruhigen Minuten ernsthaft mit den Problemen der taiwanesischen Gesellschaft in der Pandemie auseinanderzusetzen versucht: Der Alvin Virus wird zunächst von niemandem ernst genommen und alle leben in Ruhe weiter, dann ist die Regierung plötzlich ratlos, ob des Ausnahmezustandes und die Bevölkerung wird, wie schon zu Beginn der Pandemie, sich selbst überlassen.
Andererseits ist der Film kein billig produzierter Trash. Der Fokus liegt zwar eher im Kleinen auf das eingangs erwähnte Paar, aber Kameraarbeit und Effekte sind absolut auf der Höhe großer internationaler Produktionen. Ein paar geschickt eingesetzte größere Setpieces deuten dabei gekonnt die Gesamtausmaße der Pandemie an und lassen die Geschichte von Jim und Kat als Teil eines großen Ganzen erscheinen. Der Film hat jedoch noch einen dritten Höhepunkt und dieser ist in der Gewaltdarstellung sowie der Vermischung von Sex und Gewalt. Nichts, was es nicht schon gab, aber auf jeden Fall weit über dem Mainstream. Unangenehm wird der Härtegrad des Films jedoch, weil er sich über Strecken durchaus realistisch anfühlt, vor allem da die Gewaltorgien immer wieder auch mit Vergewaltigungsorgien vermischt werden. Auch wenn die Gewalt insgesamt recht ausgewogen auf Männer und Frauen verteilt wird, sticht dabei ein Subplot um Stalking und Incel, der in einer exzessiv erniedrigenden Vergewaltigung mündet stark hervor. Man kann und darf sehr gerne ernsthafte Thematiken in Horrorfilmen angehen. Der Babadook, Get Out oder gar der Arnold Schwarzenegger Zombiefilm Maggie haben dies in den letzten Jahren sehr erfolgreich getan. Aber wenn man das versucht, sollte man nicht gleichzeitig auch noch brutale Schockmomente, die nur zum Schockieren da sind, in den Film einbauen. Hier muss man sich entscheiden auf welcher Party man tanzen möchte oder vielmehr, ob man auf eine Party gehen und tanzen oder eine ernsthafte Unterhaltung führen will. Und das geht im lauten Splatterclub leider nur bedingt.
The Sadness ist ein sehr gut gemachter Zombiefilm, der von dem Taiwan Exotenbonus profitiert und das zurecht. Die Apokalypse vor dem Hintergrund einer anderen Gesellschaft und in einem unverbrauchten Setting zu erleben ist neu und sehenswert. Er profitiert ebenfalls von Mund-zu Mund-Propaganda über seine harte Gewaltdarstellung, welche jedoch nur hartgesottene Splatterfans und diejenigen wertschätzen können, die seine ernsteren Töne hiervon trennen oder komplett ignorieren. Über Festivals wie das Fantasy Filmfest (wir berichteten) bekannt geworden, zunächst für den Heimkinomarkt vorgesehen und nun sogar noch mit regulärem mehrfach vorverlegtem Kinorelease hat der Film einen langen Weg hinter sich. Alleine schon für mehr Vielfalt im Kino sei der Film an sich jedem Interessenten ans Herz gelegt, eine dezente Warnung ob des nicht ganz optimalen Umgangs mit ernsten Themen wie Vergewaltigung und der Incel-Kultur muss aber ausgesprochen werden.
The Sadness (TW 2021)
Regie: Rob Jabbaz
Besetzung: Berant Zhu, Tzu-Chiang Wang, Regina Lei
Kinostart: 3. Februar 2022, Capelight Pictures