Foto-© Alexa Viscius
From way up there, it looks so small
From way down here, it looks so small
One peculiar organism aren’t we all together?
Everybody steps on ants
Everybody eats the plants
Everybody knows to dance, even with just one finger
(Big Thief – Spud Infinity)
Eine Stimmung, die wir doch gerne mitnehmen – Licht, das durch Blätter fällt. So würde ich die Atmosphäre dieser neuen Platte beschreiben. Dabei war bei den Vorgängern doch eher melancholischer grauer Himmel angesagt. Hier haben Big Thief sich bewusst entschieden, etwas zu verändern. Es beginnt beim Aufnahmeprozess, um den sich Schlagzeuger und Produzent James Krivchenia gekümmert hat. Eine Idee, um nicht immer denselben Mustern zu verfallen. Und eben auch, um den Fokus von der outstanding Frontfrau, Adrianne Lenker, auf die Band zu lenken.
Das ist gelungen. Die Songs sind verspielter, die Band gibt sich der Spontanität hin, was dem innovativen Aufnahmeprozess zu verdanken ist. Die Songs wurden an vier unterschiedlichen Orten mit zugehörigem Produzenten geschrieben und aufgenommen, in der Hoffnung, dadurch eine Perspektive zu finden, die vorher nicht möglich gewesen wäre. In Upstate New York, im Topanga Canyon, in den Rocky Mountains und in Tucson, Arizona, verbrachte Big Thief fünf Monate mit der Produktion, bei der letztlich 45 Songs entstanden. Das Material, das am meisten Resonanz fand, wurde zu den 20 Tracks von Dragon New Warm Mountain I Believe In You zusammengeschnitten.
Ein Abwechslungsreiches Doppelalbum ist das Resultat, das optimistisch ist und sehr gegenwärtig; auch verspielter, im positiven Sinne. Die Songs klingen nach Stadt, nach Land, nach Nord und nach Süd. Jeder Aufnahmeort hat den Songs einen eigenen Klang mitgegeben: In Tucson hat die Fiedel ihren Weg auf das Album gefunden, das mit der Flöte untermalte No Reason ist definitiv der Singleauswahl würdig, Heavy Bend und Blurred View bedienen sich elektronischer Sounds und gehen gar in die Trip-Hop-Richtung. Bei Little Things lohnt es sich wortwörtlich auf die Nuancen zu achten, um die mitreißende Energie des Songs aufzusaugen.
Eine Reise, die wir als Hörer mit der Band gehen können: Es geht um Selbstfindung jedes einzelnen (Bandmitglieds), die Wände der Indie-Rock-Box, der Songstrukturen, Songlängen zu sprengen. Die Musik zu fühlen. Und das ist mal wieder eine Spezialität der vier US-Amerikaner. Denn sie gehen tief: Dramatik durchzieht die Songs, umso mehr gewinnen die frohen Töne an Gewichtung. Ein Spiel aus Licht und Schatten, bei dem das Licht gewinnt.
Natürlich gibt es immer noch ein paar Momente, in denen der Scheinwerfer auf die großartige Songschreiberin Adrianne Lenker ausgerichtet ist, mit ihrer zerbrechlichen und femininen Stimme. Dennoch wirkt das Projekt gelungen. Es spricht auf jeden Fall für das Bandgefüge Big Thiefs, die dadurch stärker denn je erscheinen: experimentierfreudig, aber immer noch sie selbst. Verständlich, dass es schwierig geworden ist, sich am Ende in der Songauswahl zu entscheiden, aufgrund der persönlichen und gemeinsamen Banderfahrung. Dadurch zieht sich das Album in eine Länge von unnötigen eine Stunde und zwanzig Minuten, jedoch mit vielen Highlights, die es sehr hörenswert machen.
Big Thief – Dragon New Warm Mountain I Believe In You
VÖ: 11. Februar 2022, 4AD
www.bigthief.net
www.facebook.com/bigthiefmusic
Big Thief Tour:
12.06. Tempelhof Sounds, Berlin
23.06. Live Music Hall, Köln
01.07. Fabrik, Hamburg
04.07. Huxleys, Berlin