Foto-© Clemens Fantur
I want more world
And I need to be heard
While all slips away
Goodnight and Namasté
(Get Well Soon – Chant and Disenchant)
Von der musikalischen Interpretation seiner Albträume auf The Horror zum Musikmachen mitten im real gewordenen Albtraum – „Es ist natürlich ein Pandemie-Album!“ wird Get Well Soon-Mastermind Konstantin Gropper zu Beginn des Pressetextes seines neuen Albums AMEN zitiert. Man kann das beflügelte Wort Pandemie-Album nicht mehr hören, aber drum herum kommen wir dann ja doch nicht.
AMEN – die Bekräftigung etwas Vorausgegangenem, eine Zustimmung, so sei es! Ne, Get Well Soon übernimmt jetzt nicht die Rolle des deutschen Sunday Service Choir, ganz im Gegenteil. Im Opener heißt es so schön: „Envying the jesus-freaks’ great mood, if they can, why can’t I feel good? I need another hobby but to blame, my missing lobby or my catholic shame“
Und doch lassen sich wage Parallelen ziehen. Eine neuartige Hoffnung durchzieht das Album. Nicht ganz ohne Selbstzweifel und sanfte Realitätsschellen („I used to say that you can dance the pain away, but the demons gonna stay“), aber für ein Get Well Soon-Album doch besonders. Seufzen will man Song um Song, tröstlich legt sich das Album um die allgegenwärtige Ungewissheit.
Wer mal in den Genuss einer Get Well Soon-Orchester-Performance gekommen ist (wärmstens zu empfehlen), wünscht sich eine Neuauflage der Konzertreihe anlässlich des neuen Albums. Denn obwohl es ein Pandemie-Album ist, ist es glücklicherweise keine Lockdown-Social Distancing-Platte – zumindest nicht musikalisch. Gropper fährt gewohnt größer auf als es der deutsche Durchschnittshörende gewohnt ist, mit Pauken und Trompeten, und schafft es mal wieder, eine ganz ungefilterte Euphorie auszulösen.
Hinzu kommen jene Songs, die sich in der Diskographie am besten an die Arbeit anlehnen lassen, die Konstantin Gropper für die international erfolgreiche Netflix-Produktion How To Sell Drugs Online (Fast) geleistet hat. Beatige Tracks, die träge gewordene Beine wieder kribbeln lassen und Bilder von stroboskopgezeichneten Nächten malen. Das Beste an Get Well Soon-Songs ist ja, dass sie genauso gut klingen, wie sie sich lesen. Songwriting par excellence, wie man so schön sagt. Es geht viel um Hoffnung, aber auch das Hinterfragen davon und Kritisieren jener, die davon schamlos profitieren. Hier treffen geballt Motivations-Coaches (One For The Workout) auf sich ins All schießende Milliardäre (Richard, Jeff and Elon) und warnende QAnon-Anhänger:innen (Us vs. Evil).
Die Welt steht Kopf, nichts ist mehr so, wie es mal war. Ungewissheit, Doom Scrolling, Disociating für die eigene mentale Gesundheit. Da kommt ein neues Get Well Soon-Album wie gerufen, die kleine orangene Boje auf dem unberechenbaren Meer des Lebens. Ein Album, das nicht wegschaut oder verschönt, aber doch so künstlerisch-kryptisch ist, dass es nicht alles noch schlimmer und präsenter macht. Und eins, auf das man in ein paar Jahren nicht zurückschaut und genervt von der alten Lockdown-Leier ist. Plötzlich erscheint der Bandname viel greifbarer zu werden mit AMEN, ein „Service-Aspekt“, wie Gropper sagt.
Alles wird besser. Wenn nicht heute oder nächste Woche oder in ein paar Jahren, dann wenigstens für die 56,9 Minuten Albumlänge. Und das ist so sicher wie das Amen in der Kirche! „Take a chance while you have the chance“
Get Well Soon – AMEN
VÖ: 25. März 2022, Virgin Records
www.youwillgetwellsoon.com
www.facebook.com/youwillgetwellsoon
Get Well Soon Tour:
24.04. Muffathalle, München
26.04. Huxley’s, Berlin
27.04. Grünspan, Hamburg
28.04. Gloria, Köln
29.04. Zoom, Frankfurt
07.05. Zeche, Bochum
08.05. Im Wizemann, Stuttgart