LUCIUS – Second Nature


Foto-© Max Wanger

It’s been twenty-four days since I knew your name
Twenty-four hours ’til I get on this plane
And twenty-four words I could rearrange
To try and explain what I’m going through

You’re the heart attack I’m used to
It’s hard to breathe without you in my chest
I’m uncomfortable, but I need you
Wish that you could see it like this

(LUCIUS – 24)

Die US-amerikanische Indie-Pop-Band LUCIUS hat am Freitag ihr lange erwartetes viertes Studioalbum veröffentlicht – das erste seit Good Grief, das 2016 erschien. Second Nature, produziert von Dave Cobb und Brandi Carlile, ist ein Porträt der Sängerinnen und Songwriterinnen Holly Laessig und Jess Wolfe, die sich gegenseitig bei der Reflexion ihrer Lebensumbrüche – Mutterschaft, Scheidung, ungeplante Karrierepausen – begleiten und diese in Musik übersetzen. Wie schon in ihren früheren Werken und bei ihren Bühnenshows funktionieren die Künstlerinnen als Spiegelbild der anderen – optisch und inhaltlich. Klangtechnisch setzt die vielleicht unbekannteste Lieblingsband der Indieszene auf Disco und Glitzer, mit dem mutigen und kunstvollen Songwriting der beiden Frauen im Mittelpunkt.

Der Titel- und Opening-Track ist auch gleich eine klassische Disconummer – Second Nature besticht durch knackige Drums, Gitarren und der attraktiven Ambivalenz von Schmerz und Tanzfläche, die zwar schon oft, aber selten so treffend besungen wurde wie hier: „I feel like I could fall apart / Like dancing with a broken heart / I just can’t get enough“. In die gleiche Kerbe schlägt der absolute 80s-Kracher Dance Around It. Der leichte Popsong featured nicht nur Brandi Carlile und Sheryl Crow, sondern auch die Idee von der Zuflucht auf der Tanzfläche in schweren Zeiten. Heartbursts inszeniert sich mit Drum Maschine und Synthesizern zu einer kraftvollen Hommage an die klassische 1980er-Jahre-Ballade. Denn neben all dem Tanzpotenzial überzieht melancholische Zerbrechlichkeit die Fröhlichkeit dieser Platte.

Diesem Gefühl kann man sich im Track 24 voll hingeben – ein wehmütiger Song, der von den berühmten Harmonien der beiden vor einem dezent-elektronischen Retrosound lebt und ein, wenn nicht das Highlight der Platte ist. Die superemotionale Ballade The Man I’ll Never Find und Promises bringen noch eine ganz andere Art der musikalischen Nostalgie ins Spiel und erinnern mit den starken Refrains, spielerischen Synthesizern an Akustik-Pop-Nummern der 2000er. LSD und Tears in Reverse spannen dann wieder den Bogen zum Anfang bzw. auf die Tanzfläche. Vor allem Tears in Reverse bleibt mit seinem sexy Bass und der Verschmelzung von Indie-Rock und Synthie-Pop noch lange im Ohr. Zum Abschluss lässt die Ballade White Lies noch einmal eine Reflektion der Gefühlswellen der Platte zu und ist somit der perfekte Abschluss eines Albums, das stets ambivalent, aber nie deplatziert klingt.

LUCIUS haben mit Second Nature erfolgreich Brücken gebaut. Musikalisch haben sie ihren hochgelobten Indie-Sound mit Neo-Disco verknüpft und etwas geschaffen, das uns in Zitaten in der nahen Zukunft sicher noch häufig begegnen wird. Obwohl viele der Melodien Synthesizer-lastig und von Endorphinen durchdrungen sind, sind die Texte sehr stark in der Unsicherheit und der Angst verankert, mit denen Laessig und Wolfe konfrontiert waren, als sie ihre Erfahrungen der letzten Jahre aufschrieben. „It is a record that begs you not to sit in the difficult moments, but to dance through them”, sagt Wolfe. Und das macht man bei diesem Album nur allzu gern.

LUCIUS – Second Nature
VÖ: 08. April 2022, Second Nature Records
www.ilovelucius.com
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Lucius live:
28.09. Badehaus Szimpla, Berlin

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