Foto-© Laia Benavides
There was an emptiness
I think you met me at a strange time
And you anchored me
I felt anonymous
And you were someone who reminded me
Who I used to be
It had to break, I had to go
‘Cause it took me walking away
To really know
(Sigrid – Mirror)
Die Künstlerin Sigrid hat mit ihrem Debütalbum Sucker Punch 2019 die Popwelt in ihren Bann gezogen. Es hagelte Preise, überschwängliche Rezensionen und Angebote für die großen Bühnen beim Glastonbury Festival und Co. Für die damals 23jährige Norwegerin war es aber auch eine Herausforderung mit der medialen Aufmerksam umzugehen. Sie wurde beurteilt als junger Mensch, als junge Frau, als Künstlerin. Die Bilder von Sigrid in Jeans und weißem T-Shirt gingen um die Welt als sie beschloss, sich nicht mehr aus Angst vor Verurteilungen hinter einer Uniform zu verstecken. Sie möchte sich zeigen als junge Unternehmerin und als Vorbild. Das Gefühl, die Kontrolle zu übernehmen, durchzieht einen Großteil ihres zweiten Albums How To Let Go, das am 6. Mai erscheint. Es ist eine Platte, die sich sowohl mit dem Ende von Beziehungen als auch mit dem Beginn von Neuem beschäftigt. Auch klangtechnisch kann man nicht (mehr) von Minimalismus sprechen. Sigrid setzt auf knackige Popsongs, die mal nach Disco, mal nach Live-Hymne klingen.
Allen voran, die Vorab-Single Mirror – eine sprudelnde Disco-Nummer mit groovigem Bass, akzentuierten Streichern und einer großen Portion Selbstbewusstsein. Nach Tanzen hört sich auch Burning Bridges an. Der Anfang erinnert an Robyns Dancing On My Own, dann treibt ein gefälliger Pop-Disco-Beat den Song nach vorne, bei dem alle Register einer modernen Radionummer gezogen wurden. In die gleiche Kerbe schlägt A Driver Saved My Night, der durch die interessanten Nuancen und den starken Refrain absolute Ohrwurmqualitäten hat. Dass die neugefundene Sicherheit sich auch in der Stimme ausdrückt, zeigen Stücke wie It Gets Dark. Der futuristische Song lebt durch die elektronische Untermalung und Sigrids Kraft, die sich vor allem im Refrain entfaltet. Er handelt über „das Hin- und Hergerissen sein zwischen dem Leben in Norwegen und dem verrückten Leben draußen, sei es London, LA oder New York“, wie sie selbst sagt. Im Gedächtnis bleiben das psychedelisch-angehauchte Dancer, das auf akustischen Gitarren im Stil der 70er Jahre aufgebaut ist und Sigrids Kindheitsidole wie Neil Young und Joni Mitchell widerspiegeln soll sowie das direkte Mistake Like You. Am Ende der Platte erinnern die minimalistische Ballade Grow mit Akustikgitarre und das emotionale High Note an die früheren Stücke der Künstlerin.
Sigrid schlägt mit ihrem zweiten Album ein neues Kapitel auf. Sie beweist, dass sie die Klaviatur des perfekt produzierten Pop in vielen Facetten beherrscht, ohne austauschbar zu werden. Richtig experimentell wird das Album allerdings leider nicht. Alles klingt wie aus einem Guss, vor allem den schnellen Popnummern hätten ein paar Überraschungen gut gestanden. Wer jedoch auf tiefgründige schöne Popsongs hofft, die mal tanzen, mal mitgrölen und auch grübeln lassen, ist hier an der richtigen Adresse.
Sigrid – How To Let Go
VÖ: 06. Mai 2022, Universal Music
www.thisissigrid.com
www.facebook.com/thisissigrid
Sigrid Tour:
07.06.22 Berlin, Huxleys Neue Welt
09.06.22 Köln, Carlswerk Victoria