Foto-© Sandy Kim
We’ll dance like nobody’s there
We’ll dance without any cares
We’ll talk ’bout problems we share
We’ll talk ’bout things that ain’t fair
(The Linda Lindas – Growing Up)
Es ist Mai 2021, Veränderung liegt in der Luft. Schon seit dem letzten Sommer, als durch den brutalen Tod von George Floyd Millionen von Menschen weltweit auf die Straße gegangen sind. Es ist erst ein paar Monate her, als bei den Atlanta spa shootings sechs asiatische Frauen ermordet werden. Die Welt schaut hin. Die weiße, privilegierte Welt begreift in Ansätzen, was systematisch passiert. Aber auch, was sich in nächster Nähe immer wieder reproduziert.
Es ist Mai 2021, als ein Video aus der Los Angeles Public Library im Internet viral geht. Zu sehen sind vier junge Mädchen, die 1. ganz schön wütend sind und 2. richtig Bock auf Musik haben. „Racist, sexist boy / You are a racist, sexist boy“, geht der Song krachend los. Alle teilen es. Flea, Tom Morello, Kathleen Hanna. Alle anderen auch. Zurecht. Kurze Zeit später steht der Plattendeal, Anfang Juni sitzen The Linda Lindas dann bei Jimmy Kimmel und verschiffen bereits Merchandise-Artikel (die vier als angry Comic-Katzen-Mädchen) um die ganze Welt. Sie treffen einen angestachelten Nerv.
Heute ist Schlagzeugerin Mila 11, ihre Schwester Lucia an der Gitarre 14, deren Bass spielende Cousine Eloise 13 und Bela an der zweiten Gitarre 17 Jahre alt. Nicht einmal ein Jahr nach diesem Tag im Mai erscheint ihr Debütalbum mit dem Titel Growing Up. Es geht unter anderem um Fehltritte (Oh!), Belas Kater Nino und doofe Tage (Remember) – Erwachsen werden halt.
Mal so rotzig-wütend wie bei ihrem viralen Hit Racist, Sexist Boy, mal Surf-Alternative-Best Coast-ig machen The Linda Lindas Musik, die soundtechnisch offene Türen einrennt und Lücken füllt. Das ist West Coast Punk, der sich nicht verstecken muss. Tun sie auch nicht, dafür sind sie ja viel zu cool. Auch textlich überraschen die vier Vollblutmusikerinnen mit einer Schärfe, die man sich selbst in dem Alter nachträglich gewünscht hätte. Das hier ist kein Kinderkram, sondern relatable as hell. Man hört ja nie ganz auf, erwachsener zu werden.
Man möchte die vier aus Los Angeles in eine Zeitmaschine stecken und sie zu dem Punkt schicken, wo man selbst 12 war und sich als kompletter Loser gefühlt hat, weil man nicht wie die anderen war. Growing Up ist das Coming-Of-Age-Album, das ganz unromantisch dabei hilft, über das ein oder andere Problem hinwegzukommen. Oder mittendurch zu rennen, Augen zu, losschreien, AAAAAH. Egal, ob man 11 oder 31 ist.
The Linda Lindas – Growing Up
VÖ: 8. April 2022, Epitaph Records
www.thelindalindas.com
www.facebook.com/TheLindaLindas