Foto-© Warner Music
Tell me, what do you love?
And would you let it kill you?
With a head full of dreams at night
Sorrows written the story of life
The higher we go
The longer that we can fly
I never knew what you wanted
So I gave you everythin’
(Liam Gallagher – Everything’s Electric)
Heute veröffentlicht Liam Gallagher sein drittes Studioalbum und hat kurzfristig auch noch ein Live-Album angekündigt, das gleichzeitig erscheint. Einfach weil er es kann. Einfach weil er es will. Jemand wie Liam Gallagher scheint sowieso wenig zu machen, worauf er keine Lust hat. Er hatte offenbar Lust auf Veränderung: Während er an seiner bewährten Mischung aus Britpop und Beatles-Anleihen festhält, zeigt C’Mon You Know auch eine recht zahme und erstaunlich zeitgemäße Version des ehemaligen Oasis-Frontmanns. Mit der cleveren Taktik, die Vorbestellung der Platte an die Ticketverkäufe zwei der größten Shows seiner Karriere zu koppeln, ist ihm Platz 1 der britischen Charts schon vor Veröffentlichung sicher. 26 Jahre nach den legendären Oasis-Shows in Knebworth tritt er dort über das Pfingstwochenende erneut auf und hat mit der Ankündigung nicht nur für sensationelle Ticketverkäufe gesorgt, sondern auch ein echtes Momentum zur Albumveröffentlichung geschaffen. Wie klingt er also, der neue alte Liam?
Zuerst hört man gar nicht ihn, sondern den St. Andrew’s Cathedral School Choir. Die bluesige Ballade More Power kommt mit einer großen Portion Selbstreflektion: “Mother, Mother, I’ll admit that I was angry for too long, I wish I had more power.” Offenbar haben er und seine Armee an Songschreibern, wie er sie nennt, beschlossen, dass auch ein Liam Gallagher neue und sogar leicht unsichere Töne anschlagen kann. Nachdem ihm im Zuge der Knebworth’96-Dokumentation bescheinigt wurde, dass er damals auf dem Zenit seiner stimmlichen Leistung angekommen sei, liegt der Fokus dieser Platte fast schon ironisch auf dem schmissigen und ausgefeilten Gesang Gallaghers. Und so endet der Song mit „Is this what you came for?“ und ich schätze, dass die meisten die Frage verneinen, aber trotzdem gerne dranbleiben. Diamond In The Dark klingt im Anschluss schon wieder vertrauter nach Liam Gallagher, aber auch nach den Arctic Monkeys auf AM und am Ende etwas gewollt. Don’t Go Halfway ist eine deutliche Anlehnung an die Beatles – gemischt mit Garagenrock und futuristischer Klangwand. Den Mix aus Beatles und Space gibt es auch auf It Was Not Meant To Be. Die Melodie von Gallaghers Gesang passt sich perfekt an seinen Beatles-beeinflusstem Retrosound an, ein abgehackter Drumbeat und eine klare akustische Untermalung bringen Spannung in die Sache. Aber es geht auch reduziert: Too Good for Giving Up ist eine klassische rockige Klavier- und Gitarrenballade, bei der sicher der ein oder andere Endvierziger im Publikum nochmal das Feuerzeug rauskramt. Im Ohr bleibt auch die Vorab-Single Everything’s Electric. Das eindringliche Schlagzeug-Cameo von Dave Grohl gepaart mit Gallaghers direktem Gesang sorgt für einen der besten Momente des Albums. Gegen Ende wird es mit I’m Free noch einmal lauter und rotziger – mit einer ordentlichen Brise elektronischem Rausch am Ende.
Liam Gallagher hat sich bzw. wurde mit C’Mon You Know nicht neu erfunden. Aber seine langjährigen Produzenten Greg Kurstin und Andrew Wyatt haben Gallagher neue musikalische Texturen geschaffen und er hat zugegriffen. Daraus ist sein bisher bestes Soloalbum entstanden, das vor allem aus Gewohntem besteht, das – meistens erfolgreich – mit Neuem gebrochen wird. Es zeigt, dass der jüngere der Gallagher-Brüder es geschafft hat, ein Team um sich zu versammeln, das ihm einen neuen Sound verleiht, den man ihm auch abnimmt. Es bleibt zu hoffen, dass die Supershows diese musikalische Errungenschaft nicht überschatten werden. Wir werden sehen: C’Mon You Know – bloß nicht zu kompliziert denken, hört man ihn sagen.
Liam Gallagher – C’Mon You Know
VÖ: 26. Mai 2022, Warner Music International
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