MIA MORGAN – Interview

Mia Morgan © Michelle Jekel

Foto-Credits © Michelle Jekel

Mia Morgan legte 2018 einen Karriere-Kickstart mit der Demo ihres Songs “Waveboy” hin, es folgte ein Auftritt bei Caspers Zurück Zuhause Festival, Tour Support für die Leoniden und dann auch die Debüt EP “Gruftpop”, die ähnlich wie die Waveboy wie eine Bombe in die deutsche Musiklandschaft einschlug. Auf das Debütalbum ließ die Künstlerin uns nun lange warten, aber nun ist “Fleisch” endlich da und hält neben neuen Hits auch zwei Tracks bereit, die ihre Fans schon aus ihrem Live-Set kennen sollten. Einen Tag vor dem Release von“Fleisch” trafen wir Mia Morgan im Café Mano in Berlin Kreuzberg um über ihr Album zu reden, dabei heraus kam ein spannendes Gespräch über den Albumprozess, die Einflüsse von Popkultur und ihrer Arbeit mit dem Produzenten Max Rieger! Viel Spaß beim Lesen!

Hey Mia, wie geht’s dir heute?
Hi! Ach, geht so, ich meine der Albumrelease ist auf jeden Fall sehr dolle und emotional sehr aufwühlend, es fühlt sich gleichzeitig nicht echt und zu echt an, es ist auf jeden Fall intense (lacht). 

Da sind wir direkt beim Thema – dein Debütalbum „Fleisch“ erscheint morgen endlich, was für Erwartungen hast du?
Gar keine mehr (lacht). Ich habe natürlich nach Gruftpop einen kleinen Höhenflug gehabt, weil ich damit sehr erfolgreich war, für die Tatsache, dass ich vorher nicht bekannt war. Alles hat sich angefühlt wie ein super steiler Start, aber dann hat mir die Pandemie und die Tatsache, dass sich die Musikindustrie in den letzten drei Jahren sehr verändert hat reingegrätscht. Meine anfangs sehr sehr hohen Erwartungen an mich selbst, habe ich jetzt zu meinem eigenen Wohl ein bisschen runtergeschraubt. Mir ist es wichtig, dass es mir gefällt und das tut es und wenn ich damit ein paar Leute begeistern kann, dann bin ich sehr glücklich. Ich habe jetzt aber nicht die Erwartungen, dass es das riesigste und größte Ding wird. Dafür ist es auch einfach am Ende des Tages nicht nah genug an den Hörgewohnheiten, die die Leute hierzulande haben. 

 

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Du hast gerade schon kurz deine Debüt EP Gruftpop angesprochen, die jetzt schon zweieinhalb Jahren zurück liegt – was hat sich seitdem bei dir verändert?
Einiges! Man wird älter, man macht Erfahrungen, dann haben wir mit der Pandemie alle ein kollektives Trauma durchlebt und meine Einstellung zu meiner Musik hat sich ein bisschen geändert. Ich habe geschafft, das ein bisschen loszulassen, mir lag das immer so schmerzlich nah am Herzen und mittlerweile tut es das immer noch, aber ich habe glaube ich habe eine gesunde Distanz dazu aufbauen können und sehe das jetzt mehr wie einen Beruf an, als dieses geheime Ding, was ich in meinem stillen Kämmerlein mache. 

Wie hat sich deine Art Musik zu machen generell seit deinen ersten Releases verändert?
Ich habe dadurch, dass ich Reaktionen auf die EP hatte, immer eine unsichtbare Person vor Augen, die die Songs hört. Das habe ich auch beim Songwriting, ich stelle mir vor wie Freund*innen das hören, oder was man daraus im Studio machen kann. Ich mache auch meine Demos ein bisschen anders, ich habe die früher immer auf Gitarre geschrieben, beim Album habe ich alles auf dem Handy mit Garage Band gemacht, mittlerweile mache ich es am Laptop, aber auch noch sehr stümperhaft. Ich bin da ein bisschen reingewachsen, aber natürlich ist es auch stressig, wenn man immer darüber nachdenkt, wie die Rezeption ist, bevor man überhaupt was fertig hat. Ich glaube aber, dass das so üblich ist, wenn man mit Musik in der Öffentlichkeit ist. 

Dein erster großer Auftritt war damals beim Zurück Zuhause Festival in Bielefeld, was hat das damals für dich und deine Karriere bedeutet?
Das war saukrass! Ich habe halt vorher nur auf Stadtfesten gespielt, auf denen sich niemand für mich interessiert hat und dann stand ich dort und da waren sogar schon Leute in Waveboy Shirts und mir wurden da schon Rosen auf die Bühne geworfen, das war unglaublich schön. Ich war da sehr glücklich und das hatte für mich einen sehr hohen emotionalen Wert, ich denke da viel drüber nach, das war keine Selbstverständlichkeit und ohne diese Chance würde ich hier nicht sitzen! 

Mia Morgan 2 © Michelle Jekela

Was hat sich auch bei deiner Bühnenshow seitdem geändert, ich weiß noch damals warst du noch alleine mit deinem Laptop auf der Bühne und hast auf Play gedrückt und mittlerweile trittst du mit Live Band auf, richtig?
Ja genau! Ich habe mich am Anfang sehr dagegen gesträubt mit Band zu spielen, weil ich immer dachte, dass keine dritten Personen meine Musik so umsetzen können wie ich das gerne hätte, aber dann habe ich irgendwie die richtigen Leute kennen gelernt. Ich bin lange Zeit mit DJ aufgetreten, dann habe ich irgendwann Lukas mitgenommen, der Gitarre gespielt hat und dann habe ich Letzen Endes doch eine richtige Band zusammengestellt. Mittlerweile kann ich es mir gar nicht mehr ohne Band vorstellen, weil man auch viel mehr Möglichkeiten hat! Wir spielen die Songs teilweise viel länger, nochmal ein bisschen anders als auf Platte und alle bringen auch nochmal eigenen Ideen mit, weil die alle auch individuell sehr enthusiastisch und ambitioniert sind einen eigenen Beitrag zu leisten. Die haben auch sehr viel Spaß daran und es bedeutet mir sehr viel, dass das nicht einfach nur ein Job für die ist, sondern dass es ihnen selbst was gibt. Natürlich wird Musik machen dadurch nicht nur ein persönliches und intimes Erlebnis für mich selbst, sondern etwas was ich mit Leuten, die ich sehr gerne mag, teilen kann und das ist wirklich sehr schön!

Hat sich dadurch auch deine Art Songs zu schreiben verändert?
Ja! Die die ich jetzt in der Zeit, nachdem das Album fertig war, geschrieben habe sind alle nochmal ein bisschen rockiger, man denkt direkt ans live spielen und daran das Publikum mit einzubeziehen.

Du nimmst auf deinem Album super viel Bezug auf deinen Internetauftritt, aber auch auf die Tücken von Social Media, wie gehst du selbst damit um und wie war dein Weg dahin, vielleicht nicht so viele Fucks zu geben, was die Leute sagen?
Also ich gebe ehrlich gesagt viele Fucks was Leute sagen (lacht). Ich muss mich immer sehr stark zurückhalten, nicht alle Kommentare, egal welcher Art, zu beantworten oder mich mit den Leuten zu unterhalten. Ich bin dann immer direkt auf Therapeutinnen-Basis unterwegs und will wissen, warum man mich scheiße findet und will, dass man mir das erklärt, weil ich immer so neugierig darauf bin, wie ich wahrgenommen werde. Ich bin unglaublich besessen von meiner Außenwahrnehmung und frage mich immer, was für eine Rolle ich in den Leben von den Leuten spiele, die mich kennen und die mich mögen oder nicht mögen. Ich bin da auf jeden Fall keine Person, die raushat, wie sie mit Social Media umgeht, ohne sich komplett vor den Karren spannen zu lassen. Wenn ich das wüsste, wäre ich sehr glücklich, aber tatsächlich ist es so, dass das Ganze sehr viele Tücken birgt, denen auch ich regelmäßig erliege. Manchmal habe ich Tage auf Twitter, an denen ich denke, dass es nicht sein kann, dass das Universum will, dass ich am Tag so viele verschiedene Meinungen, von so vielen verschiedenen Leuten sehe. 

Eigentlich ist es ja auch super unnatürlich, dass täglich so vielen Meinungen und so vielen vermeintlich perfekten Menschen mit perfekten Wohnungen ausgesetzt ist.
Total! Vor zehn bis zwölf Jahren war es ja wenigstens noch so, dass man im Internet eine kleine Clique hatte, mit denen man ab und zu E-Mails geschrieben hat, aber jetzt sehe ich so viele verschiedene Menschen, die so schön und interessant sind. Bei manchen denkt man dann auch vielleicht auf den ersten Blick, dass sie unsympathisch sind, und das denken die Leute bei mir dann ja teilweise auch, das verunsichert schon enorm! 

Neben vielen neuen Songs auf der Platte, ist jetzt auch endlich In Wien drauf, der neben Blond einer der Tracks ist, die du schon lange in deinen Live-Sets spielst – wie lief der Prozess, welche Songs auf die Platte kommen?
Die die gut genug waren (lacht). Ich habe in der Zeit noch viel mehr Songs geschrieben und wir haben auch noch mehr Songs aufgenommen, die nicht auf dem Album sind. Ganz viele Titel, die für mich zwischenzeitlich Favoriten waren, sind jetzt gar nicht drauf, weil wir geschaut haben was Sound- und Texttechnisch das vermittelt, was ich auf Fleisch sagen und zeigen will. Bei In Wien und Blond wusste ich, dass Leute die Songs live geil finden und dass es deshalb wichtig ist sie auf der Platte zu haben. Mit denen habe ich mich anfangs schwergetan, weil die mir in der Ursprungsversion gar nicht mehr gefallen haben, deshalb haben wir uns da nochmal dran gesetzt und viel überlegt. Bei In Wien fehlt auf der Platte jetzt die erste Strophe, weil wir uns dazu entschieden haben das ein bisschen anders aufzuziehen und direkt in den Chorus reingehen wollen und Blond haben wir viel schneller gemacht, damit der die Leute nicht mehr so krass runterzieht. Es gibt aber auch Songs, die ich Live gespielt habe, die nicht auf der Platte sind, die Leute fragen immer wieder nach Wiedergänger, aber das ist ein Song, der mir so am Herzen liegt, dass ich dem einfach noch nicht gerecht werden kann, der klingt in meinem Kopf ganz anders, als ich den im Studio bisher umsetzen konnte. Es wird der Tag kommen, da ich eine gute Version davon machen kann, weil ich weiß in welche Richtung ich mit dem Song will, aber der ist noch nicht da. 

Ist es auch Absicht, dass In Wien und Blond hintereinander auf der Platte sind?
Ja, auf jeden Fall! Ich wollte die in einem Block abhaken, weil die auch von der Soundwelt sehr ähnlich sind. 

Auf Fleisch nimmst du oft Bezug auf popkulturell relevante Themen, allen voran der Song Jennifer Check, in dem du dich auf den Film Jennifers Body beziehst. Was für einen Einfluss hat Popkultur generell auf dein Songwriting und wie filterst du das?
Die Bücher, Filme und Medien, die ich konsumiere, sind seit einer Weile ja schon eher nischig, mit Female Manipulator Storylines. Das ist eine gewisse Spate Medien, die für Frauen gedacht sind und von Frauen produziert werden, die mich schon immer interessiert haben und auch irgendwie grob in eine Tumblr Richtung gehen. Ich tue mir selbst einen Gefallen damit, als auch einer bestimmten Gruppe von Menschen, die sich auch dafür interessieren, wenn ich das in meinen Songs als Querverweis oder Inspiration nehme! Ich fand es selbst immer cool, wenn Künstler*innen in ihren Songs andere Bands erwähnen, oder Filme oder generell mit popkulturellen Referenzen spielen. Dadurch eine Stimmung und Bilder zu erschaffen kommt bei mir eigentlich ziemlich natürlich. Ich habe auch schon bevor ich die Songs für das Album fertig hatte für mich beschlossen, dass ich das in irgendeiner Form auf Jennifers Body beziehen möchte. Auch das Cover ist ja sehr inspiriert von Midsommar und The Witch, was ja auch Filme mit weiblichen Hauptrollen sind. Das ist einfach mein Ding, war es schon immer! 

 

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Du hast auf dem Album wieder mit Max Rieger gearbeitet, der ja auch schon auf Gruftpop am Start war – wie sieht bei euch ein Tag im Studio aus?
Das ging immer sehr fix, dadurch, dass ich während der Entstehung des Albums nicht in Berlin gewohnt habe, bin ich immer für vier bis fünf Tage hergekommen, die wir dann durchgehend im Studio verbracht haben. Die Songs waren in Demo-Form ja alle schon vorher fertig, die habe ich Max dann gegeben und der hat mir gesagt welche Songs geil und welche absoluter Bullshit sind. Wir haben uns gegen 11 Uhr getroffen, die Demo auseinandergenommen, einen Drum Beat gebastelt und von da aus dann weiter agiert. Es ging alles immer sehr schnell, aber das war für mich auch schon immer die beste Arbeitsweise. Wenn ich ein Projekt mache, versuche ich das durchzuziehen und wenn ich es nicht durchziehen kann, dann dauert es Jahre, bis es fertig wird. Deswegen war das immer sehr effizient, so dass wir abends immer mit einem fertigen Grundgerüst für einen Song aus dem Studio gegangen sind. Am nächsten Tag haben wir dann an einem anderen Song gearbeitet, damit wir nicht wahnsinnig werden und am letzten Tag des Arbeitsblocks haben wir nur noch an Feinheiten gebastelt. Insgesamt haben wir also vielleicht drei Tage pro Song gebraucht. 

Das ist echt super effizient!
Ja, total! Aber das meiste ist auch einfach am Computer entstanden und lediglich Gitarren sind da mal live eingespielt worden, oder ein paar Mal der Bass.

Man muss ja auch sagen, dass du und Max euch gut kennt, da kommt man dann wahrscheinlich auch schneller auf einen Nenner.
Total! Ich bin auch, was Musik anbelangt, null verkopft! Ich kann ja gar keine Instrumente spielen, ich versuche nicht irgendetwas zu schreiben, was Leute interessiert, die Instrumente spielen können, sondern für mich gibt es immer die Kriterien, ob es catchy ist, ob ich mich mit dem Text identifizieren kann und ob es auf A Moll, F, G, C geschrieben ist (lacht). Ich bin da sehr genügsam und finde schnell was mir gefällt und bleibe dann auch dabei. Wenn ich einmal was habe was gut ist, dann suche ich in der Regel nicht nach was Besserem. 

Voll gut! Ist glaube ich auch sehr gesund!
Ja, oder ich bin einfach Widder (lacht). Ich will es schnell fertig haben, vielleicht ist das auch manchmal schlecht, vielleicht wären die Songs noch besser, wenn ich die länger marinieren lassen würde. Aber wenn ich das Gefühl habe, dass es gut ist will ich auch einfach nach Hause (lacht).

Ja, aber das hilft ja auch dabei den Spaß an der Sache nicht zu verlieren!
Genau! Das merke ich ja auch bei Wiedergänger. Ich habe da keinen Spaß mehr dran, weil ich weiß, dass es so eine langwierige Sache ist. Dagegen war zum Beispiel Widerlich auf der Platte super schnell fertig und das ist total befriedigend! 

 

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Kannst du dir vorstellen in Zukunft nochmal mit einem/einer anderen Produzent*in zusammenzuarbeiten, oder ist es dir das Vertrauensverhältnis, wie du es zu Max hast, wichtiger?
Ich weiß es sehr zu schätzen und habe auch weiterhin Bock auf das was Max macht, ich kann das aber absolut nicht ausschließen, einfach weil ich denke, dass es sau viele Leute gibt, die gute Sachen machen! Ich würde auch gerne mal wissen wie ein anderer Produzent, oder eine andere Produzentin meine Sachen interpretieren würde. Ich habe Mal überlegt was der/die Traumproduzent*in auf dem zweiten Album sein könnte und hätte total Bock das mit so jemandem wie Clarence Clarity zu machen, aber das ist leider sehr unrealistisch (lacht). Aber ich will jetzt auch erstmal das erste Album draußen haben und chillen, bevor ich an das zweite Album denke (lacht). Ich glaube, dass ich in Zukunft auch nicht mehr in Blocktagen arbeiten werde, weil das immer sehr kostspielig war und ich danach außerdem immer in ein Loch gefallen bin. Ich wünsche mir für das zweite Album eine sehr effiziente Arbeit, die aber organischer funktioniert, was die Zeiteinteilung betrifft. Wenn ich im Studio war, war es super organisch, aber dieses nach Terminkalender kreativ sein liegt mir nicht. 

Was sind denn deine weiteren Pläne, nachdem das Album draußen ist?
Wir gehen im Mai ja auf Tour und spielen in elf Städten! Dann habe ich noch ein paar Festivals im Sommer, von denen schon ein paar announced sind, aber auch noch ein paar announced werden. Ich schreibe schon wieder, ich kann das aber auch nicht abstellen, das passiert in der Bahn, nachts im Bett oder morgens am Frühstückstisch, wenn mir eine Idee kommt, schreibe ich sie direkt auf. Ich habe schon ein paar schöne Demos fertig, aber versuche das jetzt nicht zu forcieren. Wenn ich eines gelernt habe aus; ein halbes Jahr in Berlin wohnen, keine Wohnung finden, nach einer Pandemie ein Album rausbringen, versuchen mit 28 auf TikTok ein Publikum zu generieren, dann ist es, dass man es nicht forcieren kann! So sehe ich das jetzt auch mit dem weiteren Verlauf, ich habe Bock Musik zu machen, ich habe Bock zu spielen, ich sehe das aber nicht verkrampft, ich freue mich einfach und wenn ich die weltliche Lage ausblende und nur auf mich gucke, dann bin ich sehr optimistisch! 

Emely Triebwasser

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