Foto-© Alex Lake
When we realise we are only to die then we’re out of here
We’re just skirting on the surface
We have only to click our fingers and we disappear
We’re just skirting on the surface
(The Smile – Skirting on the Surface)
Beim Hören von A Light for Attracting Attention, dem Debütalbum des starbesetzten Rock-Trios The Smile, sollte man eine Sache möglichst vermeiden: Radiohead-Vergleiche. Klar, zwei Drittel der neu gegründeten Gruppe sind ursprünglich als Mitglieder von Radiohead bekannt geworden, und ehrlich gesagt klingen die meisten Songs auf A Light for Attracting Attention auch so. Doch damit würde man der Platte unrecht tun. Dass Thom Yorke und Jonny Greenwood bereits einige Meisterwerke mit der wohl angesehensten Band der jüngeren Rockgeschichte veröffentlicht haben, muss man ihnen ja nicht ständig vor die Nase halten. Jedenfalls wäre Mr. Yorke sicherlich genervt von mir, wenn er diesen Artikel lesen würde (träumen darf man ja!) und dann solche Aussagen findet: “Das Lied Pana-vison von The Smile klingt mit seinen rhythmisch ungeraden Klaviertönen und seichten Jazz-Drums total wie Radioheads Pyramid Song! Und die Mischung aus akustischen Gitarrenakkorden und durchgehenden Streicherflächen in Free In The Knowledge hört sich voll wie How to Disappear Completely an! Außerdem hätte der rockige Song We Don’t Know What Tomorrow Brings theoretisch auch auf dem sechsten Radiohead-Album Hail to the Thief sein können!” Stimmt zwar alles, aber das will ich ihm wirklich nicht antun. Denn wenn mir irgendetwas auf der Welt wichtig ist, dann, dass Thom Yorke mich mag.
Nicht immer wieder zu vergleichen fällt schwer, ich weiß – vor allem, wenn der Radiohead-Produzent Nigel Godrich mal wieder an den Reglern sitzt und sogar das Plattencover vom Radiohead-Künstler Stanley Donwood gestaltet wurde. Raffinierte, aber keineswegs sperrige Harmoniefolgen, rätselhafte Textzeilen (Favorit: “He’s a fat fucking mist”) und Filmmusik-ähnliche Orchesterklänge: Alles typisch für Radiohead, alles auch auf dieser Platte vertreten. Genauso wie die effektive Kombination aus Yorke, dem nachdenklichen Songwriter, und Greenwood, dem versierten Arrangeur, der essenziell für die optimale Ausschmückung von Yorkes Liedern ist.
Doch es gibt trotzdem wichtige Gründe, warum A Light for Attracting Attention eben KEIN Radiohead-Album ist. Am offensichtlichsten ist die Mitarbeit des auffällig groovigen Schlagzeugers Tom Skinner, dem dritten Mitglied des Trios, der vor allem die funkigen Songs wie The Opposite und The Smoke zum Leben erweckt. Während beiden Tracks hat man geradezu bildlich vor Augen, wie Yorke aufgrund Skinners tänzelnder Drums sein ganzes Gesicht anspannt und den Kopf vor lauter Groove nicht mehr stillhalten kann. Auch wenn ich mir wünschen würde, dass es mehr von ihnen geben würde, lebt diese Platte zu großen Teilen von diesen Momenten. Und natürlich von den treibenden Rock-Nummern wie You Will Never Work In Television Again, die man so sehr lange nicht mehr von Yorke gehört hat. In den weniger atmosphärischen Momenten funktioniert die rudimentäre Dreier-Konstellation von The Smile jedenfalls am besten.
Der zweite Grund für die Existenz von The Smile ist die bewusste Vermeidung von dem Druck, der mit einem Radiohead-Album kommt. Es muss extrem befreiend sein, dieser Aufmerksamkeit aus dem Weg zu gehen und stattdessen nochmal ein Debütalbum aufzunehmen. Als Teil einer neuen Gruppe müssen die Mitglieder von The Smile an kein vorheriges (Meister-)Werk anschließen und sich um keine logische Fortführung einer Band-Diskographie scheren. Denn auch wenn es manchmal so klingt, ist A Light for Attracting Attention eben nicht Teil der Radiohead-Timeline, sondern einfach nur gute Musik. Auch mal ganz angenehm.
The Smile – A Light for Attracting Attention
VÖ: 13. Mai (digital), 17. Juni 2022 (physisch), XL Recordings
www.thesmiletheband.com
www.facebook.com/thesmiletheband
The Smile live:
20.05. Berlin, Tempdrom