Foto-© Sebastian Madej
Der Statist in der eigenen Geschichte – so deprimierend, wie das vielleicht erst mal klingen mag – so poetisch und tiefgreifend verarbeitet Betterov dieses Gefühl in seiner Musik und macht damit auch vor seinem Künstlernamen nicht Halt. In den letzten Jahren hat der Musiker es geschafft seine eigene Nische zu finden und damit eine neue Perspektive auf deutsche Indiemusik geschaffen. Trotz Pandemie ist Betterov in aller Munde und holt jetzt das nach, was er während seines Karrierestarts durch Lockdowns, Abstandsregelungen und Kontaktverbote verpasst hat. Vergangenen Freitag veröffentlichte er seine Single Der Teufel steckt im Detail und holte sich dafür mit Fatoni zum ersten Mal eine HipHop Künstler ins Boot. Wie die Zusammenarbeit der beiden lief, was es mit seinem Künstlernamen auf sich hat und ob es bald ein Debütalbum geben wird, erfahrt ihr in diesem Interview!
Hey, wie geht’s dir heute?
Hi! Mir geht’s sehr sehr gut, vielen Dank!
Dann lass uns doch mal kurz einen kleinen Rückblick machen – 2020 warst du gerade dabei, mit deiner Karriere richtig Fahrt aufzunehmen, dann kam die Pandemie und hat das Ganze ausgebremst, wie bist du damit umgegangen?
Erst mal bin ich damit gar nicht umgegangen, weil ich gar nicht wusste, was auf mich zukommt. Es war nicht so leicht da Pläne zu machen oder in die Zukunft zu blicken und es war unmöglich, Konzerte zu spielen. Das war schon wirklich sehr schwer, ich habe dann aber versucht, das Beste daraus zu machen und habe geschaut, was diese unfreiwillige Pause für Vorteile haben kann. Da habe ich dann gesehen, dass ich jetzt wirklich viel Zeit habe, um zu schreiben, den Sound noch mal auszuprobieren und zu experimentieren. Die Laborphase hätte man nicht gehabt, wenn der Betrieb ganz normal gerollt hätte, dann wäre alles on the Run entstanden.
Hattest du in der Zeit auch Angst, irgendwelche Chancen zu verpassen? Du hättest in der Zeit ja auch Vorband für Provinz gespielt, oder?
Ich hatte nie das Gefühl, dass ich das verpasse, weil ich auch immer das Gefühl hatte, dass es nachgeholt wird. In fast allen Fällen war es auch so.
In den letzten Jahren und vor allem in der Pandemiephase hast du in meinen Augen sogar eher an Aufmerksamkeit gewonnen, merkst du das jetzt auch, wenn du auf der Bühne stehst?
Ja, ich merke schon, dass der Personenkreis, der auf meine Konzerte kommt, größer geworden ist. Das ist natürlich total schön! Ich habe jetzt in Augsburg mein erstes richtiges Festival gespielt, bei dem es keine Auflagen mehr gab, das ist schon der Wahnsinn.
Du hast mal gesagt, dass dein Künstlername von einem Charakter aus einer dänischen Filmreihe inspiriert ist, – bedienst du dich im Songwriting auch manchmal an Film- und Seriencharakteren oder Storylines?
Ne, eigentlich nicht. Das ist eine Sache, die ich echt nur bei dem Namen gemacht habe.
Hattest du zu der Filmreihe einen besonderen Bezug?
Ich habe da schon einen sehr besonderen Bezug zu, weil ich das auch sehr besonders finde. Das ist zum einen eine Serie, die in der DDR total populär war, alle kennen das in- und auswendig und in der BRD kannte es niemand. Mittlerweile kennen das im Westen vereinzelt ein paar Leute, die nerdig drauf sind, aber es ist kein allgemeines Kulturgut. Das allein fand ich schon bemerkenswert. Zum anderen ist die Figur aus einer ähnlichen Schicht wie ich, das ist auch eine Arbeiterfigur, der arbeitet auf einem Schrottplatz und seine einzige Aufgabe in dem Film ist es, den Hebel nach unten zu drücken, der die Schrottpresse bedient. Der dritte Punkt ist, dass es so ähnlich anhört wie mein echter Nachname und der vierte Punkt ist, dass ich es ab einem gewissen Zeitpunkt witzig fand, sich nach jemandem zu benennen, der zwei Mal durchs Bild läuft und nicht der große Held ist, sondern einfach ein Statist. Witzigerweise macht der Schauspieler, der den gespielt hat, eigentlich Ton oder er schneidet Filme, das fand ich irgendwie auch witzig. Das alles hat für mich klar gemacht, dass es auf der Welt eigentlich keinen besseren Namen für mich gibt.
Du hast früher Theater gespielt, hilft dir das heute beim Songwriting?
Schon, ja! Als Schauspieler*in sollte man sich fragen, was unkonventionelle Typen und Rollen sind. Zum Beispiel ein Bürgermeister wird im konventionellen Sinne, in Anzug und Krawatte inszeniert, aber als Schauspieler*in fragt man sich, wie er stattdessen gekleidet sein könnte, wie er redet oder ob er vielleicht betrunken ist, um die Rolle unkonventioneller zu gestalten. Eine Rolle wird plötzlich spannend, wenn sie sich nicht im klassischen Kontext bewegt, in dem man sie kennt. Das versuche ich auch bei Texten viel zu machen und das ist der große Benefit, den ich daraus ziehen kann.
In deiner neuen Single Der Teufel steckt im Detail singst du von einem nie enden wollenden Kreislauf, – wie schaffst du es, solche Muster in deiner Musik zu durchbrechen, wenn du sie denn hast?
Das ist eine gute Frage, ich versuche oft Dinge zu machen, die ich nicht kenne und versuche daraus etwas Neues für mich zu ziehen. Bei dem Dussmann Abend, den wir im Dussmann gemacht haben, fand ich es total schön mit den Leuten, die da waren, den Abend zu gestalten, auch wenn ich kein ausgebildeter Moderator bin. Aber es war schön, sich zwischendurch mit den Gäst*innen zu unterhalten und eine kuratierte Show daraus zu machen. Das mache ich gerne, um aus meinem Dunstkreis rauszukommen, weil ich glaube, dass es superwichtig ist, viele Seiten Einschläge von links und rechts zu bekommen, wenn man kreativ arbeitet. Das Schlimmste wäre, wenn ich zwei Jahre in Island in ‘ner Hütte mein Album schreiben würde, da würde am Ende kein einziger Song bei rumkommen. (lacht) Es ist total schön da, aber ich glaube, es wäre nicht das Richtige für mich.
Für den Song hast du mit Fatoni zusammengearbeitet, wie war für dich die Zusammenarbeit und wie ist das überhaupt zustande gekommen?
Zustande gekommen ist die über das Internet! Ich habe ihm geschrieben, dass ich cool finde, was er macht und gefragt, ob wir mal einen Kaffee trinken wollen. Wir haben uns dann auf einen Kaffee getroffen und uns danach noch öfter gesehen, auch im Studio aber haben erst mal gar nicht gesagt, dass wir einen Song zusammen machen wollen, sondern uns über alles mögliche unterhalten, Kaffee und auch mal Wein getrunken. Irgendwann dachten wir, dass es cool wäre, mal was zusammen zu machen, daraufhin haben wir uns getroffen und erstmal viele Texte geschrieben, bis wir irgendwann gemerkt haben, dass das Thema des Songs ganz spannend und witzig ist und haben dann daraus diesen Song gemacht.
Das war auch das erste Mal, dass du mit einem HipHop Künstler zusammengearbeitet hast, – hat das deine Arbeit an dem Track verändert?
Meine Arbeit nicht so richtig, ich habe nichts anders gemacht als sonst auch, aber es war natürlich spannend, bei Fatoni zu sehen, wie er Texte schreibt und wie er versucht, was aus 16 Takten zu machen. Das war echt das Spannendste, auch mit ihm im Studio zu sein und zu sehen, wie jemand, der aus dem HipHop kommt, an so einen Track herangeht. Das war schon cool!
Du hast mal erzählt, dass bei euch im Auto früher immer die Bruce Springsteen Greatest Hits Kassette on Repeat lief, was würdest du sagen, welche drei deiner aktuell veröffentlichten Songs auf deiner Greatest Hits Kassette zu finden sein würden?
Ich glaube, da wären Angst, Dussmann und Viertel vor Irgendwas drauf!
Hört sich nach einer sehr repräsentativen Auswahl an!
Genau! (lacht)
Das ist jetzt die zweite Single, die du selbst dieses Jahr veröffentlichst – ist da was in Richtung EP oder sogar Debütalbum in Planung?
Ich veröffentliche demnächst Musik, das kann ich versprechen! Aber über alles, was darüber hinaus geht, fürchte ich, muss ich euch noch ein bisschen im Dunkeln lassen. (lacht) Aber auch nicht mehr allzu lange!
Ok, damit kann ich arbeiten! Was sind denn sonst noch deine Pläne für dieses Jahr?
Ich spiele einen sehr gefüllten Festivalsommer, auf den ich mich sehr freue, ich spiele im Herbst supergroße Shows im Festsaal und im Mojo, das sind die Größten, die ich bisher gespielt habe. Das wird ein riesiges Fest, da freue ich mich schon das ganze Jahr drauf, das wird superkrass! Ich glaube, das sind die großen Dinge, auf die ich mich sehr freue und die sich über einen sehr langen Zeitraum strecken, sodass ich viel zu spielen habe. Ich habe aber total Lust auf dieses Jahr und freue mich total, dass ich das alles erleben darf!