Foto-© Stephan Strache
Wir treffen Lina Brockhoff, alias Brockhoff, vor dem Backstagebereich des Way Back When Festivals. Merzeg spielt gerade. Er bringt das Publikum zum Tanzen, wir verstehen kaum unser eigenes Wort. Also entschließen wir erst einmal ein paar Fotos auf dem Schrottplatz hinter dem Junkyard, auf dem das Festival in Dortmund stattfindet, zu machen. Dort suchen wir uns dann auch kurzerhand ein lauschiges Plätzchen für unser Interview. Wir sprachen mit Lina über ihre Einflüsse, die Debüt-EP Sharks, wie es ist nun endlich auch live zu spielen und vieles mehr!
Dein Auftritt eben war mega gut. Er hat uns sehr gut gefallen. Vielen lieben Dank, Dir. Opener sein ist ja oftmals schwer. Bei Dir waren wir aber direkt drin und der Junkyard Club füllte sich super schnell mit Publikum. Wir sind uns sicher, früh Dasein wurde mehr als belohnt mit deinem Auftritt.
Danke schön, dass freut mich sehr.
Brockhoff gibt es ja noch nicht so lange. Wenn wir es richtig auf dem Schirm haben, spielst Du gerade deine dritte Festivalshow (nach dem Popsalon und gestrigen Lunatic Festival). Popsalon ähnelt eher Clubshows. Wie fühlt es sich auf Festivalbühnen an?
Heute war ja auch ein bischen Clubshow. Dunkel, intim. Gestern war outdoor. Es war etwas ganz neues. Voll das andere Gefühl, die bislang größte Bühne, auf der ich stand. Spannend und schön.
Du hast im Frühjahr bereits Shelter Boy auf Tour begleitet. Wie war das?
Genau, wir haben Shelter Boy auf drei Gigs bei ihrer Tour begleitet. Es war mega cool. Im September geht es dann auf Tour mit Luke Noa und Pano. Wir spielen unter anderem in Berlin und in Bochum in der Trompete. Der Name hat sich irgendwie eingeprägt. Und auf dem Radar in Zürich und dann mein Heimspiel auf dem Reeperbahn Festival. Da freue ich mich schon sehr drauf.
Vom Sehen kennen wir Fabian aus deiner Band. Er hat(te) eine Band in Hannover: Leaves & Trees. Sie haben in Köln auf dem Melodica Festival gespielt.
Wie ist es denn genau mit Brockhoff: Es ist dein Projekt, aber live bist Du mit Band unterwegs?
Genau. Brockhoff ist mein Solo-Projekt aber live mit Band umgesetzt. Ich schreibe die Songs. Sie entstehen zuerst bei mir und werden dann anschließend für live prepaired.
Was hast Du denn dabei zuerst: Musik oder Lyrics?
Super unterschiedlich. Meistens kommt es fast zeitgleich. Ich habe kein System, nach dem ich Songs schreibe. Ich daddel herum mit der Gitarre und spiele irgendwelche Akkorde. Dann summe ich eine Melodie drüber oder mir fällt eine Textzeile ein. Und dann entsteht daraus irgendwie mehr. Meistens ist es dann musikalisch etwas früher fertig als der Text. Bei den meisten Songs, die bislang veröffentlicht sind, ist tatsächlich aber beides mehr oder weniger gleichzeitig entstanden.
Und was sind deine Einflüsse? Dein erster Output auf Instagram war ein Big Thief Cover (Paul). Kompliment für diese Wahl! Wir vernehmen vorab oft Foo Fighters treffen Soccer Mommy. Sind das dann auch KünstlerInnen, die Du selbst viel hörst?
Ich bin ein riesengroßer Big Thief Fan. Da gehe ich dann auch im Juli auf das Konzert in Hamburg. Es wurde schon gefühlt drei mal verschoben. Ansonsten sind meine größten Einflüsse Soccer Mommy und Snail Nail. Beabadoobee auch gerade super viel.
Neben den Goldenen Zitronen assoziieren wir Toccotronic, Trümmer und Erobique immer mit Hamburg. Beeinflusst Hamburg Deine Musik? Die Hamburger Schule ist doch schon arg lange her; ihre Protagonisten zog es dann ja auch zum Teil nach Berlin. Was findest Du in Hamburg aktuell musikalisch spannend?
Sagt mir alles was. Auch Hamburger Schule natürlich. Mir fällt es aber immer schwer so etwas einzuordnen. Ich bin vor knapp drei Jahren nach Hamburg gezogen. Der Umzug nach Hamburg war das einschlagenste Ereignis in meinem Leben. Es hat sich super viel verändert. Von zu Hause wegziehen. Vom Dorf in eine Großstadt – ich komme nämlich von einem kleinen Dorf. Das waren schon super viele Einflüsse, die da auf mich einprasselten. Das hat sich auch in meiner Musik wiedergespiegelt. Ich habe super viel ausprobiert und habe neue Inspiration gefunden. Durch den Austausch mit anderen MusikerInnen, mit denen ich seitdem in Hamburg arbeite und mit denen ich mich hier treffe. Da sind dann letztendlich aus diesem Umbruch heraus auch die Brockhoff Songs entstanden.
Eigentlich wollte ich Dich fragen, woher dein Name kommt. Ich mag ihn total gerne. Er klingt super. Gestern las ich dann bereits: es ist dein Nachname.
Es ist super simpel, keine krasse Story. Nur mein Nachname.
Wir mussten an Brockdorff Klang Labor und Brokof denken, beides Mal nur des Namen wegen.
Es ist einfach nur der Nachname. Ich habe tatsächlich trotzdem noch lange nach einem Künstlernamen überlegt. Es war auch nicht meine Idee. Es haben Freunde von mir unabhängig voneinander vorgeschlagen. Am Anfang fande ich es super fremd. Ich habe nach etwas gesucht, was überhaupt nicht mit meinen Namen zu tun hat. Auch nicht mit Lina, meinem Vornamen. Und an Brockhoff habe ich erst einmal gar nicht gedacht. Natürlich ist es irgendwie auch schwierig, da man damit aufwächst. Man kennt ihn halt so gut. Aber dann habe ich mich mehr und mehr mit dem Gedanken angefreundet. Anfangs meinten zwar viele, dass klingt gar nicht nach dir, Lina. Es klingt sehr hart, sehr männlich. Aber gerade diesen Kontrast mag ich mittlerweile sehr gerne.
2nd Floor hatte seinen Ursprung in einer Sprachnachricht. Auch Sharks liegt das intensive Gefühl eines beschissenen Abends mit Besserwissern und Wichtigtuern zu Grunde. Wie viel „Privates“ findet sich in deiner Musik? Fusen deine Lieder alle auf Erlebtem?
Sehr viel. Ich verarbeite hauptsächlich private Erlebnisse und Stories in meinen Songs. Sie sind alle sehr persönlich und knüpfen an Dingen an, die ich selbst erlebt oder gefühlt habe.
Das Video zu Sharks habt ihr analog gedreht?
Das von Sharks auf dem Fussballplatz. Ja, mit so einer Deadcam von Ebay Kleinanzeigen. Lee hat das gedreht. Er ist übrigens auch hier auf dem Festival. Es ist wirklich einfach nur ein one take.
„Standing in line, looking inside, See you smile at me with missing teeth“ ist so stark. Bei uns wurden unmittelbar Assoziationen von Verlustangst bis hin zu Tod geweckt. Ich denke direkt an Träume und Traumdeutung.
Tatsächlich ist das ein Traum und nicht in echt passiert. Aber auch das sind private Geschichten, die da mit in den Song einfliesen. Man liest im Internet ja die wildesten Deutungen dieses Traums. Für mich steht es v.a. für eine Misskommunikation, für Missverständnisse und für fehlendes Selbstbewusstsein und Selbstzweifel. Was letztendlich zum Scheitern einer Beziehung aus all diesen Gründen führt oder die gar nicht erst zu Stande kommt. Ganz simpel als Metapher: es fehlt einfach etwas.
Ende Juni erscheint dann ja auch deine erste EP. Ist bereits ein Album geplant? Bzw. denkst Du überhaupt noch im Format Album?
Auf jeden Fall. Es ist ein ganz großer Wunsch und ein Traum von mir, ein Album zu veröffentlichen. Es ist auf jeden Fall mein Plan. Jetzt kommt erst einmal Ende Juni die erste EP raus. Aber sicherlich auch bald ein Album.
Wenn Du ein eignes Festival kuratieren könntest: Wer müsste unbedingt mit dabei sein?
Ich würde mich auf jeden Fall am Way Back When Festival orientieren. Das Line Up hier ist großartig. Diejenigen KünstlerInnen, die ich eben erwähnte sind tatsächlich auch diejenigen, die ich aktuell am meisten konsumiere. Gerade aus Deutschland würde ich zudem Power Plush, Philine Sonny und Thala, die auch hier spielt, einladen. Weil ich es super cool finde, was hier gerade in der Indie Szene passiert.
Das wäre auch mega spannend. Gerade jetzt, wo Rock am Ring ja zeitgleich dieses männerdominante Line Up hat, wäre das mal ein Statement.
Es ist immer noch ein mega großes Ding. Aber ich finde es gerade sehr schön, dass solchen Acts immer mehr Gehör geschenkt wird.
Ein bischen Überschneidungen gibt es glaube ich immer. Edwin Rosen haben wir auch gestern auf dem Lunatic gesehen. Voll viele Acts von gestern sind heute auch hier.
Wie krass ist es, während Corona mit Musik anzufangen und jetzt auf einmal wieder touren zu können. Fühlt sich das schon wieder normal an?
Es ist super krass. Es war ein mega cooles Gefühl, das erste Mal wieder die Bässe zu spüren. Erst recht wenn man selbst auf der Bühne stehen darf. Vom Timing her war es fast schon perfekt. In der Coronazeit ist das Projekt ja überhaupt erst entstanden. Die ganzen Songs sind im Lockdown entstanden. Es war genug Zeit in der Isolation die Songs zu schreiben und zu produzieren, sich Zeit zu lassen, so dass alles ready ist für die Bühne, wenn es wieder los gehen kann. Es ist auf jeden Fall weit weg von normal, wie es sich gerade anfühlt. Generell erst einmal wieder auf Konzerte zu gehen, auf Festivals zu gehen ist so cool. Und dann auch noch selbst spielen zu könenn. Wir spielen diesen Sommer so viel mehr als ich jemals gedacht hätte. Das ist so mega cool. Und so mega aufregend. Weil es gerade so viel erste Male gibt: erster Support Gig, erstes Festival, erstes Interview. Es sind gerade so viele, so spannende Erfahrungen, die ich gerade einsammeln darf.
Und woher kennst Du deine Musiker?
Das ist super unterschiedlich. Fabi kenne ich schon länger über die Hannoverkreise. Er macht ja auch mein Management. Dann passte es, dass er Gitarre spielt. Marike, die Bassistin, wohnt auch in Hamburg. Da habe ich sie kennengelernt. Jense, der Drummer, ist der Freund von Marike. Sie haben zusammen in Enschede in Holland studiert.
Du hast am Anfang deines Gigs mal gesagt, dass Du sehr nervös wärst. Wir haben es ganz anders wahrgenommen. Sehr souverän und tough.
Das freut mich sehr. Tatsächlich war ich heute so aufgeregt. Hier sind heute so viele Acts, die ich selbst total feiere. Wo ich dann dachte, wenn die jetzt im Publikum stehen. Das hat mich total nervös gemacht. Dann habe ich beim ersten Song sogar auch noch meine Gitarre ausgehabt. Also nicht auf den Tuner gedrückt. Das ist mir dann irgednwann nach dem halben Song aufgefallen. So etwas macht dann ja noch nervöser. Aber es freut mich, wenn man es mir nicht so sehr angemerkt hat. Aber Nervösität, eine Aufgeregtheit vorm Gig ist ja auch gut. Und gehört dazu. Vielleicht demnächst nur so, dass ich nicht vergesse auf den Tuner zu drücken. Das wäre schön.
Vielen lieben Dank für das Interview, Lina.
Danke Euch.