Foto-© Marco Sensche
Gefühlt seit immer gehört Florian Sievers mal mit seinem Projekt Talking To Turtles, mal solo als Das Paradies zu diesen wenigen deutschen Songwritern, die uns geflissentlich, wie stetig aus der Seele zu singen wissen. So auch mit dem zweiten Paradies-Solowerks Transit, für das Sievers dieses Mal die Tür für Gäste weit öffnete: die Bläser sind arrangiert von Antonia Hausmann (Posaune), außerdem gespielt von Wencke Wollny (Bassclarinette), Damian Dalla Torre (Saxophon) und Sven Regener (Trompete). Doch trotz voller Kapelle, war dieses Mal das Studio das wichtigste Arbeitsinstrument: In seinem Atelier im Leipziger Westen produziert Sievers auch Film & Theatermusik, arbeitet für und mit anderen Bands und MusikerInnen an deren Musik. Hier spielte er die meisten Instrumente für Transit ein. Baute Collagen aus Geräuschen, Sounds und Glitches, um sie später wieder abzuschleifen. Das Paradies bleibt damit letztlich ein Ort, an dem alles passieren darf – und solche Orte brauchen wir gerade dringender denn je. Und ab heute können wir uns wieder schön in den Songs und zwischen den Zeilen verlieren…umso mehr, da uns Sievers ein Track by Track zu Transit geschrieben hat!
1. Die stroboskopen Jahre
Die erste Skizze zu diesem Song entstand, laut Dateiinformation auf der Festplatte schon 2017, noch vor dem Release des ersten Albums. Es war nicht als Paradies-Song gedacht. Ich glaube, ich mochte die Langsamkeit des Stücks zusammen mit der kaputten Synthesizer-Fläche im Chorus sehr gern. Beklemmend und sich gleichzeitig öffnend. Diese Reibung ist anscheinend später auch in den Text eingesunken. Besonders froh bin ich über die Bläsersektion im Intro und Outro. Danke an Antonia Hausmann, Sven Regener, Wencke Wollny und Damian Dalla Torre an dieser Stelle. Die Frage nach dem Opener des Albums war mit diesem Lied beantwortet.
2. Rosa Luft
Ich mag die Intensität und die ‚Lautstärke‘ des Arrangements. Das Lied scheint unter Druck zu sein und versucht sich dabei zurückzulehnen. Spätestens im Chorus verschwimmen die Instrumente zu einer Collage und das Bühnenbild, Vordergrund und Hintergrund verwischen. Ein Gefühl, das sich mal mehr oder mal weniger intensiv durch das Album zieht. Textlich bin ich im Nachhinein selbst von dem Storytelling-Charakter und den surrealen Elementen überrascht.
3. Wenn ich Dir entkommen will
Mit seinem Sound und der Instrumentierung habe ich das Gefühl, diesem Lied dabei zuzuschauen, wie es droht aus dem Rahmen dieses Albums zu kippen. Das macht es umso passender und schafft eine Verbindung zur Erzählung im Stück selbst. Es ist eines meiner Lieblingssongs auf dem Album.
4. Die Dinge, die wir uns heute sagten
Es ist vielleicht das einzige Lied, bei dem ich mit dem Album „Set Free“ von American Analog Set eine Referenz im Kopf hatte. Der Minimalismus ihrer Lieder und der Arrangements steckte in der ersten Skizze dieses Stückes. Später im Prozess hat es dann doch die klangliche Dichte des Albums eingefordert. Eine besondere Schwäche hab ich für das Arpeggio im Intro. Ich glaube das Lied spürt einer Vermutung nach, von Wiederholungen in unseren Erzählungen über uns selbst und unseren Beziehungen. Wie Samples und Loops vielleicht, die abnutzen und anfangen zu leiern oder unendlich wiederholbar bleiben.
5. Hund & Sterne
Das war das erste fertige Stück des Albums, als noch gar nicht an ein zweites Album zu denken war. Vielleicht hört man ihm die Nähe zum „Goldene Zukunft“-Album an. Es tauchte an einem Vormittag in 2018 beim Rumklimpern im Studio auf. Am Ende des Tages war es aufgenommen und eingesungen. Sehr ungewöhnlich. Seitdem stand es bei fast jedem Konzert auf der Setlist. Kurz vor dem Albummix hat Damian Dalla Torre noch die wunderbaren Klarinetten und Flöten eingespielt. Ich mag das Lied sehr gern. Ich habe das Gefühl es erzählt von Romantik als ungerichtet, uneindeutigen Zustand mit einem Fade In und Fade Out.
6. Verkleidet als Mensch
Ähnlich wie „Die strobosokopen Jahre“ basiert das Lied auf einer recht alten Skizze, in dessen Zentrum über 3:30 dieser rhythmische Bass knarzte. Das hat mir gut gefallen, stellte sich aber als zu raumgreifend heraus und der Bass machte Platz für neue Elemente. Man könnte meinen, daraus hat sich das im positiven Sinne eckigste Stück auf „Transit“ zusammengesetzt. Es rollt weniger, als dass es sich eher vorwärts würfelt. Ursprünglicher Titel war schlicht „Plaste“, das Wort für Plastik in der ehemaligen DDR.
7. Im Orbit ohne Zucker
Die Ortsbeschreibung „exorbit“ ist mir begegnet und hartnäckig dageblieben. Vielleicht, weil das Wort verschiedene mögliche Perspektiven hinter sich herzieht. Tatsächlich war es beim Schreiben gar nicht so einfach im Kontext zu platzieren. Das hat mir umso mehr gefallen. Als Mittel gegen die Pathosgefahr kam mir der 90er-Jahre-Kaugummi-Claim „Orbit ohne Zucker“ gerade recht. Mir scheint, dass das Lied jetzt wunderlich durch den Raum zwischen Alter und Ego und zwischen Nähe und Distanz mäandriert.
8. Gebissen wurde ich nur in Wien
Das Instrumental zu dem Lied gab es schon eine Weile und ist etwas verloren durch ein paar wenig befriedigende Bearbeitungen und Neuaufnahmen gestolpert. Ähnlich erging es dem Text und vielleicht auch der Figur im Song selbst. Ein Erlebnis in Wien gab der Erzählung durch Zufall den fehlenden Satz, der die Teile verbunden hat. Das fehlende Puzzlestück aus der Realität sozusagen.
9. Über dem Asphalt der Hitze
Ich mag es, dass die Stimme im Song fast unbeteiligt eine vermutlich urbane Szene beschreibt, oder mehrere Szenen innerhalb eines Bildes. Die Musik ergänzt die Beschreibung und erzählt mit. Sie ist anscheinend nervös aber stoisch, recht kleinteilig und dabei zu einem Ganzen verzahnt.
10. Im Graben an der Straße ins Licht
Vor einigen Jahren hörte ich auf dem Heimweg eine entfernte BassDrum. Es war früh am Morgen. Ich bin ihr gefolgt. Aus der Straße, aus dem Viertel, aus der Stadt. Durch den Wald, auf eine Wiese und fand eine wunderbare Party. Der passende letzte Song für dieses Album.
Um noch mehr die Vorfreude auf das neue Das Paradies Album zu verbreiten, verlosen wir zum heutigen Album-Release zwei mal die Vinyl von Transit! Ihr wollt gewinnen? Dann schickt uns flott bis spätestens 15.06. eine Mail mit dem Betreff “Das Paradies Vinyl” und eurer Adresse an gewinnen@bedroomdisco.de und mit etwas Glück habt ihr bald schon Post von uns in eurem Briefkasten!