Foto-© Sony/RCA
You say I should be on top of the world
But I’m not feeling much
You know I used to think I could fly,
Now I’m just holding on
Yeah, I’m laughing in a room full of strangers
On the verge of tears
Uh, I should be on top of the world
But yet I’m right here
Oh, ’cause every time you look at me
It’s never enough for you
You can’t be fair to me ’cause, boy,
You know I’m so damn in love with you
(Tate McRae – go away)
Selten haben Künstler:innen so viel erreicht bevor ihr Debütalbum überhaupt erschienen ist wie Tate McRae. Streaming macht es möglich: Tates Nummer-1-Multiplatin-Single you broke me first wurde bis dato weltweit über 1,4 Milliarden Mal abgerufen. Die aus Calgary stammende Singer-Songwriterin und Tänzerin schaffte es als jüngste Musikerin ins 2021er Ranking von Forbes 30 under 30. Ganz schön viel los um die Kanadierin mit deutschen Wurzeln. Am 27. Mai erschien ihr Debütalbum zum Erfolg bei RCA. i used to think i could fly handelt vom Erwachsenwerden der Erkenntnis, dass manche Dinge doch schwieriger sind als sie scheinen. Aber ganz ohne Hitgaranten geht McRae nicht ins Rennen. Die Singleauskopplungen feel like shit, she’s all i wanna be und chaotic wurden bereits im Vorfeld millionenfach gestreamt. Ihr professioneller Popsound schmiegt sich perfekt in der Indiepop-Nische der traurigen Heartbreak-Hymnen und beweist, dass sie sich mit diesem Album nach ihrem viralen Start online als Künstlerin etablieren kann und es auch schon hat. Denn hierbei handelt es sich keinesfalls um eine Platte einer Newcomerin. Ihren ersten Durchbruch hatte McRae mit 14 Jahren, als sie ein Video zu ihrem eigenen Song one day veröffentlichte. RCA konnte die Künstlerin für ihre erste EP an Land ziehen und schenkte ihr einen Song, der von Billie Eilish und Finneas mitgeschrieben wurde. Im Jahr 2020 landete sie einen Hit mit der oben erwähnten Trap-Ballade you broke me first, die vor allem auf TikTok die Runde macht. Wie hört sich McRae nun in voller Albumlänge an?
Schmissig klingt sie. Und traurig. Die alte Erfolgsformel aus Herzschmerz, geschmackvollem und eingängigem Pop bleibt bestehen und läuft zu Hochform auf. Gemeinsam mit den Hitproduzenten Greg Kurstin, Charlie Handsome und Blake Slatkin sind Songs entstanden, die zeitgeistig, aber nicht aufregend wirken. Aber ausgefallene künstlerische Selbstverwirklichung erwartet man von einem Tate McRae Album vielleicht auch nicht. Mal vertrauensvoll, mal schüchtern und manchmal auch frech spricht sie alle Ängste und Unannehmlichkeiten ihrer Realität an und besingt dabei sehr direkt Gefühle und Erfahrungen, die tröstlich vertraut sind. Gleichzeitig ist ihr Poparsenal keinesfalls einseitig: pure und minimalistische Pianoballaden wie hate myself oder goodnight reihen sich neben Tracks mit eindringlichen Synthesizern, die ihrer schönen Stimme und dem Liebeskummer noch mehr Ausdruck verleihen. Die besten Beispiele dafür sind die Singles feel like shit oder chaotic. Die Songs sind allerdings nicht durchgehend so langsam oder introvertiert. So werden auch Ex-Freunde auseinandergenommen – manchmal ist Wut eben heilsamer als Traurigkeit. Beispiele dafür sind der groovige Opener don‘t come back und das Alt-Rock-inspirierte what would you do?, wo sie ihrem Ex ihre ganze Verachtung und Bitterkeit an den Kopf schmeißt: “I’ll go out and kiss your friends / Like, oh my god, get over it / Yeah, go get drunk / So you forget I’m gone.” Aber auch Euphorie hat Platz: go away fühlt sich an wie ein energiegeladener Trip durch Besitzansprüche, Lust und Faszination, in dem das Eigene durch die Faszination mit dem Anderen ersetzt wird.
McRae zeigt auf ihrem Album, dass Selbstermächtigung bei Liebeskummer viele Facetten haben kann – genau wie gute Popsongs. Ja, das wirkt an einigen Stellen etwas generisch, aber es nimmt auch mit. Man kann sich verlieren in tollen Popsongs, die vielleicht nicht nachhallen, aber auf jeden Fall Spaß machen.
Tate McRae – i used to think I could fly
VÖ: 27. Mai 2022, RCA
www.tatemcrae.com
www.facebook.com/TateMcRaeOfficial