THE OUTFIT – Filmkritik


Foto-© Universal Pictures Germany

I’m not a tailor; I’m a cutter.

(Leonard Burling – The Outfit)

Wenn man in der Sneak Preview sitzt und ohne Opening Credits und ohne Filmtitel einfach die Stimme von Sir Mark Rylance anfängt das Handwerk des Herrenschneiders zu erklären während Dick Popes ruhige Kamera das Handwerk dieses Meisters, was heute wahrscheinlich noch genauso praktiziert wird wie im 1956 des Films, absorbiert, macht sich sofort eine meditative Stimmung breit, in der es plötzlich nicht so wichtig ist, worauf der Film hinaus will. Jedoch wird bald klar, dass mehr hinter Herrenschneider Leonard Burlings und Rezeptionistin Mables (Zoey Deutch) Alltag im Geschäft los ist, als man zuerst meinen würde: Die Chicagoer Mafia-Familie Boyle, der die ganze Nachbarschaft gehört, betreibt im Hinterzimmer nämlich einen toten Briefkasten. Als sich eines Tages die Ereignisse überschlagen, schafft Leonard es nicht, sich herauszuhalten und sein Laden wird zum sicheren Hafen für alle außer ihm selbst. Wer in diesem sorgfältig konstruierten Kammerspiel die Nacht überleben wird, gestaltet sich zusehends ungewisser.

Graham Moore hat für sein Langfilm-Regiedebut ein Projekt mit handlichem Umfang gewählt und meisterhaft umgesetzt, zumal er sich als Oscar-prämierter Drehbuchautor selbst die Vorlage dafür lieferte. Moore hat eine gutes Team zusammengestellt: Sophie O’Neill hat wieder in Zusammenarbeit mit Saville Rows Schneiderei Huntsman für tadellose Anzüge gesorgt. Der zweifacher Oscar-Gewinner Alexandre Desplat steuert die passende Musik bei. Oscar-Gewinner William Goldenberg (Schnitt) geht mit dem Filmmaterial mindestens genauso sorgfältig um wie Leonard mit feinem Stoff. Der Cast steht und fällt mit Mark Rylance. Fast jede(r) weitere Schauspieler(in) verblasst neben ihm zunehmend.

The Outfit hätte auch ein Theaterstück sein können, jedoch schnörkelt Moore gekonnt mit cineastischen Elementen und liefert einen frischen, unvorhersehbaren Krimi. Die Perspektive von einem Aussenseiter auf eine durchaus nicht untypische Mafia-Drama-Handlung ermöglicht es ganz organisch die Spannung hoch zu halten: was geht draußen vor, wer kommt als nächstes herein, welche Vorgeschichten bringen sie mit, wie stehen sie zu denen, die schon da sind? Und gibt es doch etwas, was Leonard aus der Ruhe bringt, außer wenn jemand ihn “tailor” (lediglich ein Näher) anstatt “cutter” (Schneider für Maßanzüge) nennt?

The Outfit (USA 2022)
Regie: Graham Moore
Besetzung: Mark Rylance, Zoey Deutch, Dylan O’Brien, Johnny Flynn, Simon Russell Beale, Nikki Amuka-Bird
Kinostart: 2. Juni 2022, Universal Pictures Germany

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