Vornweg: Es gibt Festivals, bei dennen einfach alles passt. Das diesjährige Way Back When gehört eindeutig dazu. 2014 als dezentrales Clubfestival gegründet, fand das Way Back When 2019 eine (neue) Heimat auf dem Junkyard in Dortmund, dem schönsten Schrottplatz der Republik. Nach zweijähriger Pandemiepause ging es dort nun vergangenes Wochenende weiter. Und auch, wenn die Veranstalter schon immer ein Händchen für ein spannendes, diverses Line Up hatten, es immer in geschmackssicher ausgewählten Dortmunder Locations (von Club bis Kirche) gastierte und es folglich immer bereits denkwürdige Konzerteerlebnisse kreierte, so setzt spätestens der Umzug dem Festival das Sahnehäubchen auf: Eine Location mit zwei Bühnen fühlt sich nochmals mehr nach „klassischem“ Festival an.
Größenordnung und Zeitplan scheinen wie gemacht für uns: Als wenig entscheidungsfreudige Mitmenschen, ist es uns so vergönnt, nicht wählen zu müssen. Vielmehr gelangen wir in den Genuss des (nahezu) kompletten Line Ups. Was für ein Luxus! Doch damit nicht genug: statt Plastikbecher gibt es hier Flaschenbier. Dank der ersten Euphorie um das 9-Euro Ticket, akklimatisieren wir uns bereits auf dem Hinweg mit Menschenmengen. Nach den DB-Mitreisenden sind die Festivalbesucher des Way Back When die reinste Wonne an Geschmack, Stil und Benehmen und selbst im Junkyard Club, der die kleinere Indoorbühne des Festivals beheimatet, fühlen wir uns mit dekadent viel Platz beschenkt. Eben dort startet das Festival mit dem Auftritt von Herrn D.K.. Ehrlicherweise schreckt uns der Name eher ab. Umso überraschter sind wir dann über die latent melancholische Indiemusik, garniert mit dem angenhem subtilem Humor des Hamburgers. Schön, unmittelbar mit einer Überraschung zu starten. Bier geholt und weggebracht, wird es langsam voll. Walking On Rivers, haben ihr Heimspiel. Sicherlich eine gute Wahl, sie so früh spielen zu lassen. Erster und einziger Corona-Ausfall: ihr Gitarrist. Zu dritt als stetiges Mahnmal, die Pandemie ist noch nicht vorbei, überzeugen sie mit schönem Indie-Folk. Bierselig wippen nicht nur wir mit. Ihre Freude, wieder spielen zu können und dann auch noch vor heimischen Publikum steckt an. Vom lauen Spätsommernachmittag wieder in den Club. Dieser ist nun bei Donkey Kid auch erstmals richtig gut gefüllt. Wie gut, wenn Musiker so wenig deutsch klingen. Wir möchten unmittelbar mit diesen Liedern die Bilder Ben Bernschneiders vertonen. Oder noch besser einen entsprechenden Film. Egal, Donkey Kid liefern den perfekten Soundtrack. Lässig, schrammelig und schön. Wie der kleine Bruder von Ilgen-Nur. (Wobei – waren sie nicht bereits gemeinsam auf Tour?) Ist das gut! Und erst die dritte Band. Wieder raus, ist nun auch das Areal rund um die Open Air Bühne gut gefüllt. Alice Phoebe Lou schafft aus dem lässigen Mitwippen ein Tanzen zu machen. Ihre Freude über ihre erste Festivalshow des Jahres steckt an. Ihre Musik mindestens ebenso. Großartig. Dann wieder ins Dunkle.
Dort ummanteln uns unmittelbar mit ihren ersten Riffs Roller Derby. Wir verlieren uns und sind glücklich. Es muss nicht immer gleich Beach House sein. Beim Verlassen des Clubs merken wir erstaunt und verwundert: es ist ja noch früh, sogar hell. Aber auch das macht nichts. Denn Balthazar gehen immer, im Hellen wie im Dunklen. Maarten Devoldere beglückt erst einmal einen Fan der ersten Reihe mit selbstgepflückten Blumen. Bei einem solchen Start kann man die Band nur lieben. Dann folgt Musik. Vielschichtig. Mal treibend, mal sphärisch, immer gut, wie gesagt, Balthazar eben. Die Dämmerung und damit dann auch die Lichtshow setzt ein. Besser geht es eigentlich nicht. Die Glückseligkeit steht uns ins Gesicht geschrieben. Zum Finale folgt Fever. Warum kann ein Lied, eine Stimmung nicht noch länger verweilen? Doch irgendwann endet dann leider auch dieser Auftritt. Und aufs Schwelgen folgt Extase.
Shelter Boy bringen den Club zum Kochen. Das stetige Mahnmal wird in Bier und Schweiß ertränkt. Shelter Boy kehren auf diese Bühne, auf der sie 2019 den Samstag eröffneten, nun als letzter Act des Tages zurück. Sie zelebrieren einen famosen, rauhen Tagesausklang. Simon Graupners heutiger Auftritt erinnert uns, an die Urgewalt, als wir 2013 das erste Mal King Krule im völlig überfüllten Introzelt auf dem Melt! Festival lauschen durften…
Der Samstag startet holprig. Uns schmerzt alles. Wir sind müde und KO. Glücklicherweise ist der Mensch ein Verdrängungswesen. Mit dem eigenen Aufraffen bessert sich das Wetter und auch das erste Radler mundet bereits wieder. Wir sitzen im Schatten und zehren vom gestrig Erlebten. Los geht es aber wieder indoor – und wie! Brockhoff beginnen. Nach zwei Liedern ist der Club trotz bestem Wetter draußen angenehm gefüllt. Soccer Mommy trifft hier auf die Foo Fighters. Mega gut. Kaum zu glauben, dass dies die überhaupt erst dritte Festivalshow des heutigen Openers ist. Glückselig von diesem Auftritt suchen wir uns einen lauschigen Platz im Schatten des Schrottplatzes. Von dort aus, wollen wir Catt lauschen. Zu unserer Freude hat sie Jonas David als „Ein-Mann-Band“ dabei und wir fragen uns nur, wer der beiden denn mehr Instrumente beherrsche. Was für eine Wucht, was für ein Auftritt! Sitzen glückt nicht. Wir wollen nach vorne. Es folgen Interviews und Fotos (demnächst an dieser Stelle!). Wir verpassen dadurch C’Est Karma. Irgendwann ist Unterhalten nicht mehr möglich. Merzeg spielt. So wirklich fassen lässt es sich nicht. Selbst Besucher ohne Affinität zu elektronischer Musik hält es nicht still. Alle anderen tanzen eh bereits. Krass. Aus der Hitze geht es dann wieder ins Dunkle zu den Klängen von Thala. Wir kommen zu Ruhe, staunen, lauschen und halten inne. Sammeln Kräft für den darauf folgenden Abriss. Was für eine mitreißende Liveband Leoniden sind, haben wir in zwei Jahren Pandemie fast etwas verdrängt. Sie sind überall: im und übern Publikum, versprühen eine Energie und Freude, der sich kaum einer entziehen kann. Fesselte uns gestern bei Balthazar das Erhabene, ist es heute die Energie. Beides wirkt. Beides haben wir vermisst. KO und glücklich reihen wir uns in die Schlange zum Club. Dezent illuminiert, wird er erst einmal beschallt. Die Stimmung heizt sich auf. Es ist dunkler, treibender. Wir spüren den Bass, die Musik. Als Edwin Rosen die Bühne betritt gibt es kein Halten mehr. Wie kaum ein anderer Künstler liefert er den Soundtrack dieser Tage: erst Pandemie, dann Krieg. Wahrscheinlich bedarf dies dunkler Klänge. Es passt. Auch wir sind parallelisiert, schnell in seinen Bann gezogen. Was für ein Ausklang! Was für ein Festival! Danke und bis zum nächsten Mal!
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