NAIMA BOCK – Giant Palm


Foto-© El Hardwick

And when the world, crumbles at my feet
I’ll pick it up and pull it tight against my cheek
Until the wind, blows it all away
And leaves me here to waste away another day

(Naima Bock – Giant Palm)

Was macht man als Musikerin Anfang 20, die gerade erst dem Studio- und Tour-Alltag den Rücken zugekehrt hat? Für Naima Bock lautete die Antwort ungefähr so: Gärtnern, ein Archäologiestudium aufnehmen – und weiter Songs schreiben, auch wenn sie fürs Erste keine Band mehr zu hören bekommt. Aufgewachsen in São Paulo und London, wo sie als Fünfzehnjährige mit Freundinnen Goat Girl gründete, hatte sie das Postpunk-Quartett trotz des kleinen Indie-Hypes, der ihr in jungen Jahren bereits Auftritte rund um den Globus verschaffte, nach dem ersten Album verlassen. Mit ihrem Solo-Debüt Giant Palm ist sie nun wieder zurückgekehrt.

Der Sound des Albums entspringt allerdings weniger den von Vorbildern wie The Slits geprägten Goat Girl, als vielmehr der Freundschaft und Zusammenarbeit mit Produzent Joel Burton (ehemals Viewfinder). Der brachte nicht nur eine ähnliche Trennungsgeschichte mit seiner Ex-Band mit, sondern auch ein eklektisches Interesse für Folkmusik aus aller Welt, westlicher Klassik und üppige Orchestrierungen, in dem Bock die prägenden Künstler*innen ihrer Jugend wiederfand: der brasilianische Part ihrer Familie besteht aus klassischen Musiker*innen, ihr Vater versorgte sie als Kind darüber hinaus mit Jorge Ben Jor oder den Beatles.

Dementsprechend widersprechen die großzügig instrumentierten Songs so ganz dem spröden 1-Stimme-1-Gitarre-Minimalismus, der Indie-Solodebüts bisweilen umweht. Trotzdem gelingt den Songs luftig und leicht eine Balance zwischen Gemütsruhe und großer Emotion. Irritationen, wie etwa ein aufheulender Sopran im Arrangement von Every Morning mit seinem Frage-Antwort-Schema aus zweifelndem Background-Chor und Bocks trockenen Antworten („Hello Darling / Yes, I’m mourning / Are you crying? / Every morning“), setzen Burton und Bock sparsam ein, glätten die Wogen, statt zu überfrachten. Am Ende des Songs verschwimmen beide Seiten für einen simplen Refrain, der das aufgeführte Zwiegespräch auf den Punkt bringt: „I lie sometimes“. Ohne gleich die strapazierte Rede von saudade bemühen zu müssen –Melancholie und Traurigkeit ziehen sich durch die Songzeilen des Albums und verweisen auf einen Trennungsschmerz, der Bock über anschwellenden Bläsern auch mal zur schlichten Erkenntnis eines „big fat waste of time“ führt (Working).

Giant Palm ist alles andere als das: Wenn das Album je provoziert, dann sind es so altmodische Vokabeln wie „Hörvergnügen“, um einen Eindruck vom schillernden Zusammenspiel von Bock, Burton und über zwei Dutzend Instrumentalisten zu geben. Im Titeltrack sprudeln altertümlich anmutende Synthesizer hinter Bocks sphärischem Gesang hervor, der bisweilen an das mal Unbeeindruckte, mal Flüsternde in der Stimme Astrud Gilbertos erinnert. Während die schwebende Traurigkeit von Dim Dum („Oh Mother, help me“) von einem reqiuemartigen Streicherpart zu Boden gebracht wird, fällt das spielerische Campervan wiederum durch sein pulsierendes, jazziges Klavier auf, bevor es nach einem Moment der Stille neu im Walzertakt ansetzt. Und nachdem Bock letztes Jahr schon den Klassiker Berimbau gleichermaßen mit Wucht wie Lässigkeit coverte, schließt Giant Palm nun mit einer geradezu sparsamen Interpretation des Standards O Morro.

Kurz: Es steckt viel drin in Giant Palm – mehr vielleicht, als von einem Debüt zu erwarten gewesen wäre, käme es nicht von einer Musikerin wie Bock, die bereits ihren ersten Ausflug ins Musikgeschäft beendet hat, bevor andere überhaupt einen Fuß in der Tür setzen. Den Respekt, den diese Entscheidung verdient, hat sie mit ihrem ersten Solo-Album nun nochmal unterstrichen.

Naima Bock – Giant Palm
VÖ: 01. Juli 2022, Sub Pop
www.naimabock.com
www.facebook.com/naimabockmusic

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