Foto-© The Afghan Whigs
I‘m gonna take you on a mystery ride
Hustle for the corner and slip over the side
Ancient was the light, like a song on the stereo
We played bones and I‘m yellin‘ domino
(The Afghan Whigs – Concealer)
Eine ruhige Kugel schieben einige, Greg Dulli nicht. So ganz kann und will sich der Sänger nicht von der Energie lösen, mit der er nach Gründung von The Afghan Whigs 1986 an den Start gegangen ist. Damals waren Hüsker Dü und The Replacements große Vorbilder im amerikanischen Rock-Untergrund. Musiker agierten besessen, spielten um ihr Leben. „You make the body ache“, lässt Dulli in I‘ll Make You See God nun wissen. Es ist ein unruhiger Auftakt, typisch für einen Mann, der Ergebenheit unvermindert ablehnt und Freigeist fordert.
In The Getaway nehmen die Whigs eine andere Richtung. Die Phonstärke sinkt, plötzlich befindet man sich im magischen Labyrinth der psychedelischen Beatles. Ungefährlich ist es nicht: „All of my thoughts descend, wait for me up around the bend.“ Streichereinsatz von Rick Nelson verschönert, die Produktion ist nicht sparsam. Während der Pandemie nahmen die Mitglieder ihre Parts getrennt auf – Dulli und Drummer Patrick Keeler (auch Mitglied von The Raconteurs) in Kalifornien, Bassist und Mit-Gründungsmitglied John Curley in Cincinnati, Gitarrist Jon Skibic in New Jersey und Nelson in New Orleans. Die ungewohnte Arbeitsmethode hat die Musiker nicht irritiert, sie sind eine Einheit und meistern alle Wechsel.
In Domino And Jimmy gastiert Marcy Mays. Sie tat das schon einmal, 1993 in The Curse. Mays ist eine Frau, die sich mit Kraft in der Stimme gegen jede Wucht behauptet. Dieses Mal muss sie es in einem Song auf Piano-Basis und mit Country-Feeling nicht so sehr tun wie damals. Aber prima hört es sich unbedingt an. Ähnliches lässt sich von Take Me There sagen, hier hat Van Hunt einen von zwei Auftritten. Der Gute veröffentlichte 2004 sein Debütalbum, seitdem ist er eine Neo-Soul-Autorität. Die von ihm forcierte Mischung aus Blues, metallischem Rhythmus und Sträflingsgesang ist ein Brecher. Liebe zu Soul, Funk und R&B ist bei den Whigs die Norm, man denke nur an den Klassiker Gentlemen, auf dem sich auch The Curse befindet. So eine starke Bindung zur afroamerikanischen Musik ist erfrischend, es gibt sie bei Leuten aus der Grunge-Generation sonst nicht. Auch Please, Baby, Please passt mit Southern-Soul-Anklängen hervorragend in dieses Bild.
Herrlich ist das Video zu A Line Of Shots mit Daft-Punk-Verkleidung, Roller Skates, bunten Farben, Discokugel und lachenden Menschen. Die Melodie klingt hell, der Einsatz des Tremolo-Effektgeräts überzeugt (siehe How Soon Is Now von The Smiths). Vieles auf How Do You Burn? erscheint detailverliebt, auch deshalb kann man sich an dem Album bis zum Ende kaum satt hören. Der Abschluss ist feierlich, fast bombastisch. „The sun is sinking on the ten, not even I can buy a friend, I know you know that you will be in flames with me“, konkludiert Dulli. Es brennt lichterloh. Auch wir sind Feuer und Flamme.
The Afghan Whigs – How Do You Burn?
VÖ 9. September 2022, Royal Cream
www.theafghanwhigs.com
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The Afghan Whigs live:
28.10.22 München, Freiheitshalle