Foto-© Michael Zackery
Put your heavy metal to the test
There might be half a love song in it all for you
Timing-wise, it’s probably for the best
Come here and kiss me now before it gets too cute
Mr Schwartz is stayin’ strong for the crew
Wardrobe’s lint-rollin’ your velveteen suit
And smudgin’ dubbin’ on your dancin’ shoes
(Arctic Monkeys – Mr Schwartz)
Als die Arctic Monkeys 2018 mit Tranquility Base Hotel & Casino scheinbar eine musikalische Kehrtwende einlegten, hätte der Aufschrei kaum größer sein können. Die Reaktionen reichten von Offenbarung bis Fahrstuhlmusik. Spätestens seit ihrem jugendlich-schnoddrigen Debüt Whatever People Say I Am, That’s What I’m Not (2006) waren die vier Musiker aus Sheffield eine kommerziell erfolgreichsten Rockbands aus UK und prägten ein ganzes Genre. Mehr als eine Generation Indiefans gingen mit Leadsänger Alex Turner durch verschiedenste Phasen der optischen Neuerfindung, einem Umzug nach LA, verschiedenen Modelfreundinnen, einem mackermäßigen Nebenprojekt mit Kollegen und Freund Miles Kane (The Last Shadow Puppets) und vier Alben, die gespickt mit Narrativen romantischer Verwirrungen vor einer endlosen Partykulisse vor allem durch laute Gitarren und einem melodischen Sound überzeugten. All das ließ sie schon immer weniger platt wirken als ihre Weggefährt:innen. Dann kam 2013 AM mit aufpoliertem Gebahren, neuer Fanschar, aber immer noch lauten Gitarren. Im Nachhinein kann man schon hier den Aufbruch zu neuen Ufer hören, der nun mit ihrem siebten Studioalbum The Car endgültig Fahrt aufgenommen hat.
Der Opener There’d Better Be A Mirrorball setzt die Szene für das maximal cineastische Album, das auch um Brüche nicht verlegen ist. Auf den ersten Titel, der aus einem Film-Noir stammen könnte, folgt das funkige I Ain’t Quite Where I Think I Am wie aus einer klassischen Hochglanz-Gangsterkomödie. Zusammengehalten werden die Fäden durch die Energie der Band: Schlagzeuger Matt Helders‘ Jazzsound des ersten Stücks wird im zweiten Titel durch die passenden Riffs auf Turners Gitarre perfekt ergänzt. Mr Schwartz klingt folkig, dunkler und einnehmender kommt Sculptures of Anything Goes daher – mit Trommeln wie aus einer Zeitreise und in Zeitlupe, die sich perfekt mit dem tieferen Gesang Turners zusammenfinden. Dass ihm die tieferen Tonlagen trotz aller Anstrengungen einfach besser stehen, zeigt auch das dick aufgetragene Hello You. Das atmosphärische Body Paint erinnert an Bowie und ist schon jetzt ein Fan-Favorit, den man sich unwillkürlich auf der großen Bühne vorstellt. Die Songs vereinen nicht nur in ihrer Kombination, sondern auch in sich, viele Elemente, die gegen- und miteinander arbeiten und in der herausragenden künstlerischen Qualität des Writings und auch der Produktion Maßstäbe setzen.
Turner hat es einerseits geschafft, seine Band aus dem ewigen Indie-Erbe ins Heute zu führen. In ein Heute, das klingt wie eine experimentelle Hochglanzproduktion aus den 1970er-Jahren – gehört in Ohrensesseln und verrauchten Lounges. Der neue Slo-Mo-Funk mit psychedelischen Anleihen ist eine Entwicklung, die einer Rockband wie den Arctic Monkeys nicht in den Schoß fällt. Die orchestralen Momente mit ihren typisch-kreativen Gitarrenlinien zu unterfüttern, holt nicht nur alte Fans ab, sondern spiegelt auch eine Besinnung auf die Qualitäten der Band als Team wider. Zwar komponierte Turner erneut wieder fast im Alleingang am Klavier, kam mit den Ideen jedoch wesentlich früher zu seinen Bandkollegen als beim letzten Durchgang. Vielleicht haben wir dieser Tatsache die erstaunlich vielen rockigen Elemente zu verdanken. An einigen Stellen ruckelt es noch – teilweise sind die Arrangements länglich und Turners Stimme dem neuen Tonumfang nicht ganz gewachsen. Künstlerisch hat die ausführlichere Zusammenarbeit der vier Beteiligten der Platte gutgetan und mehr Profil gegeben als dem Vorgängeralbum.
Arctic Monkeys – The Car
VÖ: 21. Oktober 2022, Domino Records
www.arcticmonkeys.com
www.facebook.com/ArcticMonkeys
Arctic Monkeys Tour (Support: Inhaler):
25.04.23 München, Zenith – ausverkauft
27.04.23 Hamburg, Sporthalle – ausverkauft
02.05.23 Berlin, Mercedes-Benz-Arena – ausverkauft
03.05.23 Oberhausen, Rudolf-Weber-Arena
08.05.23 Frankfurt, Festhalle – ausverkauft