Slow down, go slow
Go really slow
It’s getting late, I know
But I feel alone and I’m feeling low
It’s getting late, I know, I know
But I don’t wanna be alone
Don’t wanna be alone
Come soften the blow
(Dillon – Soften the Blow)
Die Blätter an den Bäumen färben sich gelb-orange und das Thermometer zeigt zum ersten Mal wieder einstellige Zahlen: Der Herbst ist da. Und mit ihm brandneue, zur melancholisch-gemütlichen Stimmung passende Alben. Die düsteren Herbst-Vibes prägt seit 2011 auch die Wahlberlinerin Dominique Dillon de Byington, besser bekannt als Dillon. Mit ihrem Song Thirteen Thirtyfive eroberte die Sängerin und Pianistin damals im Sturm die Herzen der Akustikmusik-Liebhaber*innen.
11 Jahre und zwei weitere, teilweise sehr experimentelle Alben sind seitdem ins Land gegangen. Zuletzt kam ihr neues und mittlerweile viertes Album 6abotage. Es überrascht mit einem Genre-Mix, den man so von Dillon nicht erwartet hätte. Das Ergebnis der Zusammenarbeit mit Producer Alexis Troy: elektronischer, eingängiger und beatlastiger als je zuvor. Akustische Experimente? Fehlanzeige. Und kein Klavier, nirgends. Dafür düstere und schwere Klänge sowie schmerzhafte Lyrics – in gewohnter Dillon-Manier. So lädt das circa halbstündige Album zur Neuentdeckung einer sich ausprobierenden Sängerin ein.
In Intro / Wouldn’t You Love? empfängt uns Dillon mit ihrer alles durchdringenden, einzigartig kratzigen Stimme im melancholischen Setting. Im Hintergrund nur leise durch eingestreute Gitarren-Akkorde begleitet, hallt ihre Stimme durch den Track. Fast schon sakral mutet dieses Intro an und macht gespannt auf mehr. Die elektronischen R’n’B-Beats von Soften the Blow schlagen danach allerdings eine ganz andere Richtung ein. Der Überraschungsmoment glückt, die Vibes des Tracks erinnern zunächst an The Weeknd. Auch Separate Us könnte von einem Album des kanadischen R’n’B-Sängers stammen. Kleine Details – wie die orientalischen Violinenklänge in diesem Song oder die Spieluhr im Interlude / Crack – stechen aus der ansonsten eher eingängigen musikalischen Gestaltung heraus und geben den Tracks teilweise das gewisse Etwas.
<3Core und Divine Saviour können mit interessanter Rhythmik punkten – auch die Genremischung ist wild, aber trotzdem nicht unpassend. Während <3Core auf Trap-Beats setzt, sind im Intro von Divine Saviour industrielle Techno-Klänge zu hören. Die schweren, elektronischen Beats lassen sich auch in Peachy Breath wiederfinden, wirken dort aber sehr dunkel und erdrückend.
Insgesamt ist das Album sehr groovig, sphärisch und düster. Leider kommt das volle Potential von Dillons einzigartiger Stimme auf dem neuen Album nicht vollständig zur Geltung. Die Sängerin wirkt teilweise verloren und gelangweilt in ihren eigenen Songs. Mit halbherzigem Stimmeinsatz wird zwar eine gewisse Coolness und Kälte in den Songs erzeugt – allerdings sorgt deren Eingängigkeit auch nach ein paar Tracks für Langeweile bei den Hörenden. Der Fokus liegt immer wieder zu sehr auf den wuchtigen Beats, welche die Besonderheiten Dillons überlagern wie eine schwere Decke.
Trotzdem erzeugt die Zusammenarbeit mit dem Producer Alexis Troy ein vielversprechendes Spannungsfeld zwischen Lyrics und musikalischer Umsetzung, das neue Möglichkeiten eröffnet und Genre-Grenzen sprengt. Durch die neuen Beats mit wenig experimentellem Charakter wird Dillon für ein breiteres Publikum verständlicher und zugänglicher – ob das nun positiv oder negativ zu bewerten ist, muss wohl jede*r für sich entscheiden.
Dillon – 6abotage
VÖ: 14. Oktober 2022, BPitch Control
www.facebook.com/dillonzky
Dillon Tour:
22.11.22 Hamburg, Mojo
23.11.22 Köln, Gloria
26.11.22 Leipzig, Täubchenthal
29.11.22 Berlin, Heimathafen
30.11.22 München, Freiheitshalle