Foto-© Courtesy of Warner Bros. Pictures
Die Tage sind kurz, das Wetter düster – perfekte Voraussetzungen für das Fantasy Filmfest. Zwischen dem 7. und 21. September tourte es wieder durch ganz Deutschland, unter anderem in Hamburg, Berlin, München und natürlich in unserem Stamm-Festival-Kino, der Harmonie in Frankfurt am Main. Mittlerweile steht Halloween vor der Tür und ihr könnt einige der Filme bereits streamen oder regulär im Kino anschauen – perfektes Timing also für einen kleinen Rückblick.
Der Trend der zunehmenden Internationalisierung, wie zuletzt bei den Fantasy Filmfest Nights 2022 (unseren Bericht dazu gibt es hier), setzte sich erfreulicherweise auch bei dem 36. Fantasy Filmfest fort. Je nach Standort gab es um die 35 Filme aus Südkorea, den USA, Belgien, Österreich, Italien, Mexico, Frankreich, England, den Niederlanden, Dänemark, Norwegen, Finnland, Rumänien, Australien, Spanien und sogar Deutschland (dazu später mehr). Jede Menge Gelegenheit also seinen filmischen Horizont in alle (Himmels-)Richtungen zu erweitern. Aber fangen wir am Anfang an:
Don’t Worry Darling, der neue Film der (als Regisseurin) aufstrebenden Olivia Wilde ist mittlerweile auch regulär im Kino angekommen und überzeugt leider anders als ihr Debütwerk Booksmart nicht auf ganzer Linie. Die Story um ein irgendwie zu sauberes, zu perfektes Leben im US-Hinterland, mit der Ästhetik von Pin-Up Bildern aus den 1960er erinnert stark an die Stepford Wives und wird auch von einer Ausnahme Performance von Florence Pugh nur auf unteres Mittelmaß gehoben. Nicht viel besser schlug sich The Roundup, der zu Weihnachten auf Blu-Ray zu euch kommen wird. Ma Dong-seok, hierzulande am ehesten durch Train to Busan bekannt, prügelt sich durch eine ultra-brutale, koreanische Bud Spencer-Variante. Kann man sich durchaus geben, wenn man das Gefühl hat, dass einem genau das im Leben bisher gefehlt hat.
Der deutsche Beitrag Old People ist mittlerweile sogar auf Netflix zu streamen. Kein Wunder, wurde er doch für eben diesen Streamingdienst gedreht und lief nur deshalb vorab auf dem Festival, da dies der explizite Wunsch des Regisseurs Andy Fetscher war. Trotz schöner Bilder und ausreichender Härte konnte uns die Geschichte um den zombieartigen Aufstand der vernachlässigten Alten nicht überzeugen. Zu unnachvollziehbar waren die Handlungen der Personen, als auch der grundlegende Plot. Genre-Fans sollten dennoch einen Blick riskieren, denn deutscher Genrefilm gehört unterstützt und alleine dafür und für das unverbrauchte deutsche Szenario (ok, gedreht wurde in Polen) lohnt es sich. Auf dem Papier ganz ähnlich gelagert ist auch American Carnage, eine Geschichte über wild gewordene Alte in einem Altersheim / Gefängnis-Ersatz für junge Menschen als Pfleger. In der Praxis wurde hier die Sozialkritik aber mit zu viel und zunehmend nicht zündendem Humor belegt. Nach einem starken ersten Drittel verliert sich der Film in Bedeutungslosigkeit und repetitiven Gags.
Genug gemeckert, kommen wir noch zu ein paar Highlights. In Freaks Out versucht eine Zirkusgruppe mit übernatürlich begabten Personen während des 2. Weltkriegs in Italien zu überleben. Wenn man eine schlüssige Handlung und Geschichte oder gar geschichtliche Korrektheit erwartet, ist man hier falsch. Man hat zwar kommunistische Partisanen und Nazi-Soldaten, aber wenig von den fantastischen Dingen, die passieren, wären im 2. Weltkrieg vorstellbar gewesen, ganz unabhängig von den magischen Fähigkeiten der Hauptcharaktere. Es ist ein Märchen vor dem Hintergrund eines modernen Krieges und es geht vor allem um die Gefühle der Figuren untereinander und ihre Interaktion mit einer feindlichen Welt. Ein sehr schön gemachter Film, mit viel Herz, der einen trotz aller Grausamkeit der Hintergrundgeschichte mit einem guten Gefühl zurücklässt. Besonders gut in diesem Zusammenhang, dass auch Franz (Franz Rogowski), der Gegenspieler unserer Zirkushelden, eine nachvollziehbare Motivation hat und kein stumpfer, austauschbarer Jäger der Protagonisten ist. Freaks Out ohne ihn wäre wie Rotkäppchen ohne den bösen Wolf.
Auch die Gegenspielerin in Moloch, einem niederländischen Geisterfilm, hat es in sich. In einem zunehmend wahnsinnigen Strudel aus düsteren Erinnerungen an den Tod ihrer Großmutter, frisch ausgegrabenen Moorleichen und einer lokalen Geisterlegende, die sich zu manifestieren scheint, muss die Musikerin Betriek (Sallie Harmsen) um ihr Leben und ihre geistige Gesundheit kämpfen. Man kann den Nebel und das Moor förmlich schmecken, in diesem ewig dunklen, klammen, slow-burn Horror. Dabei gibt es durchaus gemütliche bis lustige Momente innerhalb ihrer Familie oder in der Bar, vor allem wenn Betriek mit dem sympathischen dänischen Archäologen Jonas (Alexandre Willaume) flirtet. Der Horror wird aber nie lange aus den Augen gelassen und unterstützt durch eine clevere Story, mit vielen Twists, die euch auch nach Ende des Filmes beschäftigen werden. Twists, die so geschickt verwoben sind, dass sie jedwede möglichen Plotlöcher schließen, euch in ein schauriges Netz des Horrors einspinnen und nicht mehr loslassen.
Ihr Netz des absurden Sci-Fi-Horrors wirft das Regie-Duo Aaron Moorhead und Justin Benson mit Something in the Dirt aus und dabei zeigen sie, wie viel Kreativität und groteske Rationalität in ihrem Genremix aus Science Fiction, Horror, Drama und Mockumentary steckt. Zwei völlig unterschiedliche Männer entdecken in einem kleinen Appartementkomplex ein mysteriöses und scheinbar übernatürliches Phänomen. Bei dem Versuch eine Erklärung für dieses herauszufinden und gleichzeitig Profit herauszuschlagen, tauchen sie nicht nur in den physikalischen Mikrokosmos, sondern auch in den des jeweils anderen ein, und bringen dabei mehr zu Tage, als den beiden lieb ist. So minimalistisch und unprätentiös wie sich der Film präsentiert, so vielschichtig und spitzfindig ist die Erzählung der beiden Hauptfiguren, die von Moorhead und Benson höchst persönlich verkörpert werden. Auf der Suche nach Antworten werden dem Zuschauer noch mehr Fragen und eine Bandbreite an Interpretationen geboten, Interpretationen über Einsamkeit, Andersartigkeit und der Suche nach Sinn und Sinnlichkeit. Ein unscheinbarer Film, der handwerklich herausragend ist, und dessen Vielschichtigkeit so minimalistisch und so gekonnt unscheinbar eingebaut wird, dass man nur noch verwundert sein kann, wie universell und doch individuell Genrekino sein kann.
So gab es dieses Jahr viel Licht und Schatten, genauso wie es sein soll bei einem Festival, das die Vielfältigkeit des Genrekinos feiert. Wir können das nächste Festival, die Fantasy Filmfest Nights im Januar 2023, jedenfalls wie immer kaum abwarten.