THE 1975 – Being Funny In A Foreign Language


Foto-© Samuel Bradley

Nach ihrer obligatorischen Social-Media-Pause zu Beginn des Jahres beglückte uns The 1975 seit Sommer regelmäßig mit neuer Musik. Zahlreiche Singles haben uns heiß gemacht auf das fünfte Studioalbum, das ab Freitag Mitternacht auf den Streaming-Plattformen und in den Regalen von Hipster-Plattenläden steht. Being Funny in a Foreign Language heißt das neuste Werk der Band von Matty Healy, Adam Hann, Ross MacDonald und George Daniel. 

Die 11 Tracks, die es umfasst, sind unter anderem in den legendären Electric Lady Studios in New York City entstanden  – und es zeigt The 1975 „at their very best“. Das hatte uns bereits der Titel der anstehenden Tour 2023 versprochen. Besonders spannend an der Entstehung von Being Funny in a Foreign Language ist zudem, dass Matty Healy und George Daniel ihren elitären Kreis für einen neuen Produzent eröffnet haben. Jack Antonoff hat an der LP mitgemischt. Das Endergebnis ist ein wahrlicher Genuss fürs Ohr und ein Album wie gemacht für die bevorstehende Cuffing Season. 

Wie jedes Album beginnt auch BFIAFL (Kürzel der jeweiligen Albumtitel gehören zur Band wie das ikonische Rechteck) mit dem Opening Track The 1975. Hier ebenso wie auf Notes On A Conditional Form eine Überraschung für Fans der ersten Stunde. Trotz der ästhetischen und teils musikalischen Rückbesinnung auf ihr Erstlingswerk hören wir hier keine neue Version des alt geliebten Intros der ersten drei Platten. Matty und die Band brechen eine neue Ära an und haben sich sowohl musikalisch als auch lyrisch von der Vergangenheit verabschiedet. Statt altbekannten, romantischen Lyrics über Blowjobs gibt es ein kritischer Blick auf die eignen Zwanziger und Mitleid für die Jugend von heute: „I’m sorry if you’re living and you’re 17.“ Irgendwie passend, schließlich hatte die Band ihr Intro 2020 zuletzt der Klimaaktivistin Greta Thunberg überlassen. 

Happiness hat nicht nur im Vorfeld als Single schon viele Fans im wahrsten Sinne des Wortes glücklich gemacht, sondern eröffnet auch als erster vollwertiger Song das Album. Lyrisch ist er schon jetzt ikonisch. Wie könnte er auch nicht, bei eingängigen Zeilen, die vor verkorkster Romantik à la Matty Healy gerade so triefen: „I would go blind just so see you, I’d go too far just to have you near.“

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Zwischen Nostalgie und Zeitgeist

Der Feelgood-Track dessen Essenz an die self-titled Ära erinnert, wird gefolgt von Looking For Somebody To Love. Ein absolutes Highlight, denn hier bietet The 1975 uns Synthesizer Galore. Der upbeat 80s-Popsong klingt wie das Lovechild von The 1975 und Genesis und es würde einen nicht wundern, wenn plötzlich Phil Collins Stimme um die Ecke kommen würde.  Obwohl die Band bereits in der Vergangenheit mit reichlich Synthesizer gearbeitet hat, wirkt dieser Song doch leichtfüßiger und positiver als viele Werke beispielsweise von ihrem zweiten Album I Like It When You Sleep, for You Are So Beautiful yet So Unaware of It. Die Lyrics kontrastieren den Happy-Go-Lucky-Sound, ein Stilmittel, dem sich Matty Healy nur zu gerne bedient: „A boy with a plan and a gun in his hand looking for somebody to love“. 

Oh Caroline orientiert sich ebenfalls an Powerballaden der 80er und startet textlich erneut düster: „I’ve been suicidal you’ve been gone for weeks“. Spätestens nach diesem Song wird langsam klar, Matty ist erwachsener geworden, hat die existenziellen Krisen seiner 20er weitestgehend hinter sich gelassen und setzt sich lyrisch nun vor allem mit dem Thema Liebe und menschlichen Beziehungen auseinander. Nicht unkritisch mit sich selbst, sofern man in dem lyrischen Ich die eigenen Erfahrungen des Sängers verorten möchte. In Oh Caroline spricht er weniger pubertär und trotzig (wie zum Beispiel noch in Too Time gemeinsam mit No Rome), sondern reflektiert über toxische Verhaltensmuster und vergebene Liebesmühen. Direkt gefolgt wird der Song von dem wohl schnulzigsten Lovesong, den die Band je geschrieben hat: I’m In Love With You. Ein Track in dem es zur Abwechslung mal nicht um Heroin zu gehen scheint.

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Romance statt Dancefloor

Ein weiteres Lied, das schon beim ersten Mal anhören hängen bleibt, ist Wintering. Ein Song, von dem wir nicht wussten, dass wir ihn brauchen, dessen State of Mind und Verzehrvorschlag aber direkt glasklar ist. Es ist der Song, mit dem wir mit Noise-Cancelling-Kopfhörern durch die Reihen im kleinen Supermarkt unserer Heimaltstadt tanzen, um kurz den Kopf im Trubel von Familie und Weihnachtsfest freizubekommen. Wer fühlt sie nicht, die Zeilen wie: „I wanna have a discussion and it’s Christmas, this is gonna be a nightmare. I just came for the stuffing, not to argue about nothing, but mark my words I’ll be home on the 23rd“.

Wer nach all den wundervollen (und zum Teil zynisch-romantischen) Lovesongs wie auch About You noch immer nicht den tiefen Drang verspürt sich zu verlieben, wird es spätestens nach dem Closing Track von Being Funny In A Foreign Language tun. When We Are Together ist geprägt von Akustikgitarre und Streichern und so unaufgeregt kitschig, wie es nur The 1975 kann. Matty Healy schafft es doch tatsächlich, es romantisch klingen zu lassen, gemeinsam gecancelt zu werden. Und überhaupt, trifft vor allem ein Satz des Refrains ins Schwarze, obwohl er doch so simpel ist. „The only time I feel I might get better, is when we are together“ – so lieblich zart gesungen, dass einem nur so das Herz aufgeht und man die elektronischen Einflüsse, die die Band seit ihrer letzten Platte weitestgehend zurückgelassen hat, wirklich überhaupt nicht mehr vermisst.

Ein wundervoll ehrliches Werk über Liebe und Zuneigung, das The 1975 Fans aller Äras glücklich machen wird. 

The 1975 – Being Funny In A Foreign Language
VÖ: 14. Oktober 2022, Dirty Hit
www.the1975.com
www.facebook.com/the1975

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Juliane Reuther

Juliane ist Redakteurin und Autorin aus Berlin. In ihrer Arbeit befasst sie sich vor allem mit Popkultur, Musik und Feminismus.

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