Foto-© El Hardwick
Negative thoughts
Come to you now like a drunk relative
Can’t get them out of your life
(The Big Moon – Suckerpunch)
Die Pandemiejahre haben viel mit uns gemacht. Wir haben aufgegeben, angefangen, alles auf den Kopf gestellt und manchmal einfach ausgehalten. The Big Moon können von all dem ein Lied singen — beziehungsweise ein ganzes neues Album damit füllen. Here Is Everything ist ein Seelenstriptease auf elf Tracks.
Das Cover ziert die schwangere Frontsängerin Jules und erst da wird einem so richtig bewusst, dass Schwangerschaft und Mutter werden in der Musikwelt kaum bis gar nicht auftauchen. Wie überrascht man war, als Künstlerinnen wie Hannah Joy von der australischen Band Middle Kids oder zuletzt Laura Lee von Laura Lee and the Jets hochschwanger auf der Bühne standen. Eine kollektive und doch extrem individuelle Erfahrung, ein Kind auf die Welt zu bringen, sollte ein eigener Genrezweig sein. Stattdessen ist es lang ein ungeschriebenes Tabuthema in der Musik gewesen, sowohl künstlerisch als auch bürokratisch.
In einem Instagram-Post zur Single Trouble schreibt Jules über ihre Erfahrungen und Struggles als junge Mutter: “I’ve since realised that this song has been more than a song to me, its been healing. Birth is traumatic, however you do it, and for me the early months of motherhood were even more traumatising.”
Here Is Everything knüpft nahtlos an seine erfolgreichen Vorgänger Walk Like We Do und dem Mercury Prize-nominierten Debüt Love In The 4th Dimension an. Im Opener 2 Lines begrüßt uns die Band dazu passend: “Nothing’s changed / But nothing feels the same.” Aber keine Angst, das dritte Album der Britinnen ist kein faules copy paste, sondern erneut ein kleines Meisterwerk. Mitreißende Sounds, die Track für Track ihre Perspektive ändern und ein Songwriting, das so clever und gut und herzzerreißend ist. Gegensätzliche Motive wie Einsamkeit und Zusammenhalt geben sich regelmäßig die Klinke in die Hand, zwischen allein auf dem Albumcover und isolierenden Passagen zu mehrstimmigen Harmonien und sich stapelnden Instrumentspuren.
The Big Moon präsentieren sich erneut als eine der besten gegenwärtigen Indie Rock-Bands. Mit Here Is Everything haben sie ein Album aufgenommen, das die Extrazeit genießen konnte und so zu einem ehrlichen, intimen Kunstwerk geworden ist, in dessen Mitte man sich auffangen lassen kann, wenn die eigenen Sorgen grad ähnliche Grimassen ziehen: “I’m done being reckless / Making the stories that / Are good for a dinner / But deep down you know they’re bad / For everything else in your life.”
The Big Moon – Here Is Everything
VÖ: 14. Oktober 2022, Virgin Music
www.thebigmoon.co.uk
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