Foto-© David Black
Hello, hold on ’til the love is gone
(Yeah Yeah Yeahs – Blacktop)
So als würde die im Songtitel erwähnte Spucke mit voller Wucht auf dem eigenen Kopf landen, brechen die dröhnenden Synthesizer in Spitting Off the Edge of the World auf einen ein. Der dramatische Start für ein dramatisches, wenn auch unaufdringlich kurzes Album. Ähnlich spannungsreich sind die Staccato-Streicher in Wolf und Burning – das New Yorker Trio Yeah Yeah Yeahs hat für diese Platte erstmals mit einem richtigen Orchester gearbeitet – sowie das meiste, was Frontfrau Karen O so von sich gibt. “Cowards, here’s the sun!”, ist der erste Satz auf Cool It Down, dem ersten Album der Band seit 9 Jahren, dessen Titel nicht nur eine Referenz an einen gleichnamigen Song von The Velvet Underground (der Inbegriff von New-York-Coolness) ist, sondern auch als klimaaktivistisches Statement gemeint ist. “Nowhere to run”, stellt Karen O etwas später fest und schneidet außerdem die Frage an, wer Schuld ist an diesem ganzen Schlamassel: “Mama, what have you done?” Ob sie hier ältere Generationen anspricht oder aus der Sicht ihres eigenen Sohnes singt, tut nichts zur Sache. Was sie uns sagen will, ist jedenfalls klar: Die Kacke ist am Dampfen.
Gesellschaftskritisch, zumindest auf eine so direkte Weise, waren die Yeah Yeah Yeahs eigentlich nie. Doch auch wenn Karen O nun alte, ziemlich ikonische Lyrics wie “Off with your head/Dance til you’re dead” oder “Wait, they don’t love you like I love you” mit geradezu angstmachenden Aussagen wie “Whatcha gonna do when you get to the water” ersetzt hat, klingt sie dabei noch immer so, wie wir sie kennen und lieben gelernt haben: Aufgekratzt, selbstischer, anstößig. In der Hinsicht, dass neue Songs wie Fleez ebenso tough wie melodiös sind, fühlt man sich an Fever To Tell, das Debütalbum der Band, erinnert.
Dass andere Songs, die mittlerweile eher von Keyboards anstelle von E-Gitarren getragen werden, dann wiederum gar nicht nach dem rotzigen Indie-Punk ihres Debüts klingen, ist keine große Überraschung. Denn anders als die meisten großen NYC-Gruppen, die Rockmusik Anfang der 2000er wieder cool gemacht haben, stellten die Yeah Yeah Yeahs schon früh die Einschränkungen ihrer übersichtlichen Besetzung hinten an und bewiesen das umfangreiche Spektrum ihres Sounds. Stell dir vor, Interpol hätten auf ihrem zweiten Album nicht nochmal genauso wie auf ihrem Debüt geklungen, sondern zur Akustikgitarre gegriffen und ihren Stil in eine etwas andere Richtung gedrückt. Oder: Stell dir vor, The Strokes hätten auf ihrem Drittwerk die E-Gitarren größtenteils zur Seite gelegt und stattdessen eine Synth-lastige Danceplatte veröffentlicht. Bei den Yeah Yeah Yeahs war das in beiden Fällen so, ohne dass sie ihre charakteristische Grundästhetik verloren haben. Die Band machte Veränderung zum Teil ihrer Identität und stand dadurch – anders als z.B. Interpol oder The Strokes – nie im Schatten ihrer eigenen Vergangenheit. “The world keeps on spinning”, heißt es im neuen Album-Highlight Different Today. Seit 20 Jahren drehen die Yeah Yeah Yeahs sich mit. Und das tun sie besser als die meisten.
Yeah Yeah Yeahs – Cool It Down
VÖ: 30. September 2022, Secretly Canadian
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