ANNA MIEKE – Theatre

So we stand
Drinking up the last of the light
Common ground watch it disappear
Holes in the sky where the night slips in
To be seen not heard is a worrying thing

(Anna Mieke – Seraphim)

Wenn nun wirklich die kalten Tage anbrechen, dann braucht es doch vor allem eins: Musik, die von innen wärmt. Anna Mieke passt mit dem anstehenden Release ihres zweiten Albums Theatre also einen guten Moment ab, um den kalten Temperaturen und Gedanken etwas entgegenzusetzen. Ihr Debüt Idle Mind (2020) wurde sehr wohl aufgenommen und konnte mit Warped Window schon gleich einen Soundtrack Song unter sich vereinen (Normal People).

Für das bei Nettwerk erscheinende Zweitwerk ist die Story schon perfekt, die sich vor allem auf den Opener Twins bezieht. In ihren Zwanzigern reist die Irin Anna Mieke aus der Folknation schlechthin durch Europa und sammelt Inspiration. Geleitet von einem rastlosen Fernweh. Vermischt mit Kindheitserinnerungen aus Neuseeland, wo sie die Lieder der Maori lernte und der Erfahrung mit bulgarischem Folk sowie den neugelernten Instrumenten Cello, Gitarre und Bouzouki, schafft sie auf Theatre nun ihre eigene Weltmusik.

Tatsächlich zeichnen Miekes neue Songs vor allem die klangliche Vielfalt aus, die nicht unbedingt bei einem Folkalbum zu erwarten wäre. Es ist weniger der Sound dunkler irischer Pubs, sondern vielmehr eine weltoffene und gleißende Version verschiedener Folktraditionen, wobei die Nähe zu irischen Genrekollegen und Kolleginnen klar zu hören ist (Joshua Burnside, Lemoncello, Ye Vagabonds). Im Mittelpunkt steht Miekes Gesang, der gewachsen ist, in Ausdruck, Bandbreite und Technik. Mit den oft traditionell irischen Melodieverläufen und Überschlägen und den vielen José Gonzalez-Momenten wirkt das sehr reif und somit doch meist eher entfernt von ihrer Zeit als rastlose Reisende. Es klingt viel mehr nach der Reflexion von Erlebtem, wie ein Theaterstück als Rückblick, mit genug Raum, um abzudriften und sich raue bulgarische Landschaften oder neuseeländische Weiten auszumalen.

Die Songs sind meist großzügig instrumentiert mit Gitarren, Bass, Drums, Bläsern, Streichern und dezenten sich überlagernden Synthesizer Sounds. Wie unterschiedliche Lichtstimmungen schimmern Saxofon und Geigen durch die meist gezupfte Gitarre und traditionell anmutende Trommeln. Miekes Stimme ist dabei immer das verbindende Glied.

Alle acht Tracks lassen sich Zeit zu gedeihen, lange meditative Intros und Outros umrahmen den Mittelteil, wie auf Red Sun mit Harfe oder auf Mannequin mit Klarinette und Saxofon. Tatsächlich liegen alle Tracks mit viereinhalb bis acht Minuten deutlich über dem typischen Songwriter Umfang. Das passt zu dem Eindruck, den das Album insgesamt ausstrahlt, viel Liebe zum Detail, viel durchdachtes Arrangement, wenig Hektik und doch eine angenehme Leichtigkeit, die dabei helfen kann den Übergang von Herbst zu Winter bis hin zum Frühling zu vergolden.

Mit Theatre ist Anna Mieke ein deutlicher Sprung zu ihrem Debüt gelungen. Dazu kann man gratulieren und zu hoffen wäre, dass dieses Album dabei hilft, der sehr lebendigen aber eben doch etwas abgeschotteten Folkszene in Irland öfter ein Ohr zu schenken.

Anna Mieke – Theatre
VÖ: 18. November 2022, Nettwerk
www.annamieke.com
www.facebook.com/annamieke

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Christian Weining

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