Foto-© Bolade Banjo
So, I roll my blunt so fat that, we call it body positive
You must take them bottles back with all of that cappin’
I be hard to find like droppin’ aspirins in Aspen
…
What’s goin’ on? Marvin rollin’ in his grave
Mercy, mercy me, these niggas need to be saved
Run it up like Runyan, tired of comin’ up with somethin’
My nigga talk in code, told him, “Bring a bag of Funyuns”
(Mount Kimbie (Dom Maker) – in your eyes (feat. slowthai & danny brown))
Die Südlondoner Musikszene hat in den letzten fünfzehn Jahren zahlreiche Hidden Gems und vollwertige Stars hervorgebracht. Zwischen Grime, Alternative, klassischem Hip-Hop, Minimal und elektronischem Pop machen sich fantastische Acts von Little Simz und SAULT bis King Krule und Arlo Parks breit. Mount Kimbie können sich stolz auf die Schulter klopfen, haben sie doch zu dieser Blüte und vor allem der Weiterentwicklung der elektronischen Elemente in der britischen Musik einen nicht unerheblichen Teil beigetragen, angefangen mit ihrem 2010er-Debüt Crooks & Lovers. Seitdem haftet dem Duo aus Dominic Maker und Kai Campos der Geruch der Avantgarde an, und ihre Folgeprojekte erfüllten dieses Image geschickt, während sie gleichzeitig mit Mainstream-Mucke anbandelten.
Dieses doppelte Spiel endet ein wenig brachial auf dem ungelenk betitelten MK 3.5: Die Cuts | City Planning. Kein Mäandern zwischen Stilen mehr, zwischen Persönlichkeiten. Stattdessen einfach zwei Alben, eins für Dom, eins für Kai. Mount Kimbie, zerlegt in Einzelteile, funktioniert das? Die Antwort darauf ist genauso schizophren wie das Album selbst.
Beginnen wir mit Dom Makers Album Die Cuts: Auf den ersten Tracks zeigt sich die akkurate und gleichzeitig spielerische Produktion, mit der der mittlerweile in Los Angeles angesiedelte Maker arbeitet. Gute Rhythmen, interessante Ideen, aber die Songs als Ganze bleiben austauschbar und ohne Tiefen. Besonders enttäuschend sind die Features mit Slowthai (gleich zweimal) und James Blake – die Stars zünden nicht auf den unvollständig wirkenden Schichten von Drums und Samples. Dazu bleiben die Lyrics entweder blass oder komplett sinnlos (siehe oben). Träumerisch kommt f1 racer mit Kucka daher, mit treibender Melodie und schönem Thema: „Formula wanna be, We can hangout in your dreams, Cause you’re never gonna see me now“. Der Track bleibt aber ein Fragment. Man wünscht sich, dass Kai Campos hinzukäme, um die vielversprechenden Bausteine zu nehmen und mit seinem Freund etwas Größeres zu bauen.
Genauso sieht es bei heat on, lips on und den weiteren Cuts in der Mitte der ersten Platte aus – es sind Fragmente mit spannenden Ideen. Die Instrumentalisierung auf end of the road erinnert an die hypnotisierenden Songs des Vorgänger-Albums und vereint diese mit neuen Ideen. Aber dieser positive Eindruck verfliegt so schnell wieder, wie er gekommen ist. Einzig mit der Newcomerin Nomi lässt sich Dom mal etwas Zeit und voilà: say that ist einer der besten Tracks dieser Seite von MK 3.5.
Am Ende der ersten Hälfte hat man viel gehört, viel erkannt und ab und zu gestaunt. Es ist wie das iPhone eines Freundes voller hochauflösender Urlaubsfotos. Oberflächlich interessant, eine Collage von Erfahrungen, aber auch zu wenig kuratiert, unzusammenhängend und es tauchen dauernd fremde Menschen darin auf und man weiß nicht wirklich, warum. Und dann geht es noch einmal völlig neu los: Clubmusik, die so eins zu eins unter zu niedrigen Decken in Berliner Kellern laufen könnte – angespornter Minimal Electro von Kai Campos auf dem zweiten Teilalbum City Planning.
Campos fühlt sich wohl als DJ mit einer 11 Tracks langen Spielwiese und zeigt direkt wunderbare Kontraste zwischen den ersten Songs Q und Quartz – grooviges Club-Intro und danach pure Beats und elektronische Perkussionsspiele. Er zeigt auch, was ein guter Mount Kimbie Track leisten kann: Eine Klangwelt aufstoßen und sie mit winterluftklarer Produktion ausfüllen. Das gelingt auf den lose zusammenhängen Satellite-Stücken (Favorit: Satellite 9).
Auch bei Kai finden wir größtenteils Songfragmente und Ideen vor, die in Clubmixes ausformuliert werden könnten. Es wäre nicht schwer gewesen, den einen oder anderen Übergang glattzuziehen und das Teilalbum dadurch immerhin zu einem Hörerlebnis zu machen. Aber das scheint nicht das Ziel zu sein. Der unglamouröse Abschluss mit Industry und Human Voices unterstreicht, dass City Planning vor allem ein Blick in die Werkbank ist. Na gut.
Diese 23-Track-Reise sollte die beiden sich ergänzenden Teile von Mount Kimbie zeigen, sagen die Künstler, wie Yin und Yang, wie zwei Seiten einer Medaille. Das Problem ist: Die Cuts und City Planning stehen in keinem wirklichen Verhältnis zueinander, die beiden Alben kommunizieren nicht, arbeiten nicht zusammen (so wie Dom und Kai hier auch nicht zusammenarbeiten).
Am Ende finden wir etwas Hoffnung im Titel: Es ist schließlich Album Nummer dreieinhalb für die Kimbies, und somit vielleicht nur ein Zwischenschritt mit ein paar interessanten Cuts und Plans – auf dem Weg zum nächsten großen Ding.
Mount Kimbie – MK 3.5: Die Cuts | City Planning
VÖ: 4. November 2022, Warp Records
www.mountkimbie.com
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