Foto-© Nick Garrie Archive / Tapete Records
Your lips are slightly warm
And cling like a summer wind
I′d like to lose myself in you
I’d like to love you
If that means anything
And watch your eyes turn deeper tones of blue
I′d like to stroll along
The seashore of your mind
And whisper all my secrets to the breeze
I’d watch the silver seagull
As it billowed through the air
Then plunge into a century of sea
I’d like to love you
If that means anything
And watch your eyes turn deeper tones of blue
(Nick Garrie – Deeper Tones Of Blue)
Er ist das krasse Gegenbeispiel zu all jenen Künstlern, deren Karriere auf dem Reißbrett entworfen wird und dann erwartbar erfolgreich verläuft: Nick Garrie (73), der britische Softrock-Sänger, der erst nach mehreren Jahrzehnten im tiefsten Schatten der Popgeschichte wiederentdeckt wurde und nun als Songwriter-Juwel umso stärker funkelt. Große Referenz-Namen wie Donovan, Cat Stevens, Leonard Cohen oder Harry Nilsson dürften auch zu dem vom Hamburger Indie-Label Tapete ans Tageslicht beförderten Album Summer Nights fallen, das nun sommerliche Stimmungen im Winter heraufbeschwört.
Den Untertitel The Lost Portuguese Session trägt diese wie ein verschollener Klassiker klingende Platte, weil die hier präsentierte Musik schon vor längerer Zeit (um das Jahr 2000) bei einer Studiosession in Portugal aufgenommen wurde. Und wie so oft in der komplizierten Laufbahn von Nicholas Miansarow alias Nick Hamilton alias Nick Garrie dauerte es lange, bis die Schönheit und die Wärme seiner Songs so richtig gewürdigt wurden. „Das Album verschwand und lag bei mir 20 Jahre lang im Regal rum, bis mir jemand schrieb und danach fragte“, erzählt er. „Ich hörte nochmal rein und liebte diese portugiesische Gitarre aufs Neue.“
Es ist pure Künstler-Romantik, mit der dieser bescheidene Singer-Songwriter die Entstehung von Summer Nights schildert. So habe er sich bei dem Aufenthalt in Nordportugal seines Hochzeitsliedes Love In My Eyes erinnert, das nach der Geburt von drei Kindern in der Versenkung verschwunden war. Den herrlichen Album-Opener Deeper Tones Of Blue sang Garrie, nachdem ein alter Mann in einer Kneipe die besagte Gitarre unter dem Tresen hervorgezogen und ihn zum Spielen aufgefordert hatte. “We recorded on the top floor of a block of flats with the local bus rattling round the corner.”
Das Ergebnis dieses eher zufällig ausgelösten Kreativitätsschubs im äußersten Südwesten Europas sind elf wunderbar melodische Stücke – teils mediterran angehaucht (Wild, Wild Hair, I Dream Of Africa) oder auch mal französisch chansonesk (Summer Nights), teils an den feinsten Songwriter-Pop der 60er und 70er erinnernd (Bungles Tours, Wine And Roses). Man versteht jetzt noch besser, warum Garrie mit seinem frühen Barockpop-Meisterwerk The Nightmare of J.B. Stanislas von 1969 (erstmals wiederveröffentlicht 2005) zur Legende und zum Kultstar für jüngere Verehrer wie Noman Blake/Francis McDonald (Teenage Fanclub), Gary Olson (The Ladybug Transistor) oder Duglas T. Stewart (BMX Bandits) wurde.
Diese Indiepop-Koryphäen hatten ihren Anteil an Garries Comeback-Platten 49 Arlington Gardens (2009) und The Moon And The Village (2017). Summer Nights (The Lost Portuguese Session) ist aus etwas anderem Holz geschnitzt. Großteils finden sich hier bereits auf … J.B. Stanislas oder der Kompilation The Lost Songs of Nick Garrie-Hamilton (2006) veröffentlichte Songs, aber eben in besonders edlen, idyllischen Folkpop-Versionen. Bleibt nur zu hoffen, dass der alte Herr aus Yorkshire sich jetzt auch noch an ein großes Spätwerk mit aktuellem Material herantraut.
Nick Garrie – Summer Nights (The Lost Portuguese Session)
VÖ: 9. Dezember 2022, Tapete Records
www.nickgarrie.co.uk
www.facebook.com/nickgarrie