Foto-© Adama Jollah
I heard them say that grime ain’t dead
I’m Harry Styles, the way I fine-line tread, you’re goin’ mainstream
Mind your business, ‘fore you mind my bread
If ten milli’ weren’t enough, I make a lifetime pledge, alright
(Stormzy – This is What I Mean)
Rapper, die ihre ursprünglichen Fans enttäuschen, indem sie sich künstlerisch weiterentwickeln. Was für ein abgedroschenes Klischee, das Stormzy mit seinem neuen Album This Is What I Mean bedient. Es bleibt nicht das einzige Klischee, da sich der britische Rapper hier so romantisch und soft wie nie zuvor zeigt. Doch musikalisch klingt das, was Stormzy abliefert, alles andere als abgedroschen. Gewohnte Grime-Elemente treffen auf R&B, Pianos wechseln sich mit afrikanischen Beats ab.
Dabei hatte Stormzy eigentlich keinen Grund gehabt, seine Komfortzone zu verlassen: Er hat bereits zwei kommerziell erfolgreiche und vielgelobte Alben veröffentlicht, die ihm einen Platz in der imaginären Grime Hall of Fame verschafft haben. Wenige Rapper (und natürlich ist Michael Owuo aka Stormzy nicht nur Rapper, sondern irgendwo auch Singer-Songwriter) haben Ansehen im Feuilleton und Street-Cred so gut miteinander verwoben. Nun hatte der Londoner Künstler aber anscheinend neue Geschichten zu erzählen und dazu das Gefühl, diese in eine neue Sprache gießen zu müssen. Und so hören wir auf This Is What I Mean 51 Minuten Verletzlichkeit und Reflexion, verpackt in viel Soul bei heruntergedrehten BPM.
Es geht stark los, mit dem besonders ambitionierten Fire + Water, einem Zweiteiler über zerstörerische Liebe, in dem Stormz mit Jacob Collier zusammenarbeitet. Die Lagerfeuer-Vibes, die dabei aufkommen, schrammen immer knapp am Kitsch vorbei und somit ist der Song in seinen vollen acht Minuten ein Genuss. Bei Firebabe gelingt der Kitsch-Balanceakt nicht, der Song hat definitiv Ohrwurmpotenzial, allerdings macht es sich Stormzy hier auch wirklich einfach – und auch wenn Jacob Collier hier nicht mitsingt, ist es (diesmal negativ) auffällig, dass der Sänger bei dieser flachen Ballade seine Finger mit im Spiel hatte.
Im Zentrum des Albums folgen dann viele weitere ruhige Songs, die das Albumambiente ausfüllen, das sich ganz gemäß der Covergestaltung nach Gelb- und Orangetönen anhört. Während das bei Songs wie Please und Hide & Seek lediglich wie ein ausmusiziertes Moodboard wirkt, finden teilweise auch interessante Ideen Einzug, wie in Need You, wo neben dem Sänger tentai auch Bläser und lateinamerikanische Rhythmen gut dosiert auftauchen. Am meisten packen aber die klaren Rap Cuts auf der Platte – das ist schade, denn sie wirken eher wie bewusst eingesetzte Crowd Pleaser, die sich eher am Rande des künstlerischen Gesamtkonzepts befinden. Der Titelsong This Is What I Mean ist so ein etwas fehlplatziertes Highlight, klar, dominant und von einer Intensität, die eher den früheren Stormzy charakterisierte.
My Presidents Are Black hingegen passt mit seinem Groove etwas besser zum Sound des neuen Albums, und ist definitiv ein Highlight. Inhaltlich setzt sich Stormzy hier nicht nur mit politischen Themen auseinander, sondern auch mit der Politisierung seiner Person selbst. Seine Selbstverortung: „We’re products of the place we lived. Yeah, we’re bustin’ all your favorite myths, nowadays, I pull up on my Zadie Smith.” Gegen Ende gibt es mit I Got My Smile Back einen Versuch, die neuen, weichen Klänge etwas besser mit Rap- und Texterfähigkeiten von Stormzy zu vereinen. Hier wie auch auf einigen anderen Tracks werden zudem sehr bedachte Features eingesetzt. So kann das funktionieren.
Man muss zugeben, der neue Sound steht Stormzy. Das liegt vermutlich daran, dass er ehrlich ist. Und wenn der Rapper an einem nachdenklicheren, ruhigeren und verletzlicheren Punkt in seinem Leben ist, dann ist This Is What I Mean insgesamt nur konsequent. Schade ist, dass in diesem Konzept nicht alle Stärken Stormzys zum Zug kommen. Dabei zuhören zu können, wie sich der „King of Grime“ weiterentwickelt, ist und bleibt spannend.
Stormzy – This Is What I Mean
VÖ: 25. November 2022, Universal Music
www.stormzy.com
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