Foto-© Lewis Vorne
Was it all I ever wanted?
Was it a dream come true?
I was lookin’ in the mirror sayin’
“Who the fuck are you?”
(Circa Waves – Living in the Grey)
Manche Dinge können nicht so bleiben, wie sie sind: Das Wetter, die Unschuld, diese eine Indie-Rock-Band. In Wahrheit, das wissen wir meistens, liegt der Wert des Meisten, das wir uns zurückwünschen, in seiner Vergänglichkeit. Nun haben Musiker:innen aber das Problem, dass sich mit dieser Tumblr-Philosophie keine Karriere gestalten lässt. Also muss auch diese eine Indie-Rock-Band nach dem Hit weiter Musik machen, den nächsten perfekten Moment suchen. Womit wir bei den Circa Waves wären, der Liverpooler Indie-Formation, die 2014 mit T-Shirt Weather, einem perfekten Sommerhit, auf den Plan trat.
T-Shirt Weather ist so etwas wie eine Schneekugel in Songform. Sie hält ein ganz bestimmtes Gefühl zu einer ganz bestimmten Zeit fest. In diesem Falle das Gefühl eines unbeschwerten Sommers, mit Freunden am See und einem schlechten Bluetooth-Speaker, aus dem der prototypische Indie-Sound der frühen 2010er schallt.
Ein solcher Erfolg ist der Band seither nicht mehr gelungen, und das wird das neue Album Never Going Under wohl auch nicht ändern. Warum also immer wieder auf diesem alten Song herumreiten, warum kann diese Review nicht einfach loslassen? Weil es die Band leider auch nicht kann. Fast die gesamte Platte von Kieran Shudall und seinen Freunden ist ein sehr durchschaubarer Versuch, Indie-Pop-Hits der letzten anderthalb Jahrzehnte zu rekreieren. Mit vielen Uuh-Oohs, Aah-Aah-Aahs und den immergleichen Akkorden.
Dabei geht es vielversprechend los: Die treibenden Rhythmen aus einem Guss von Schlagzeug, Bass und Gitarren auf dem Title Track Never Going Under sind sehr viel rockiger als alles, was wir auf dem letzten Album gehört haben. Ein energetischer Start und ein Versprechen, das danach leider nicht eingelöst wird. Do You Wanna Talk, vorab als Single veröffentlicht, hat am meisten Ohrwurmpotenzial, die Band spielt hier völlig unverblümt die Throwback-Karte, denn der Song könnte 1-zu-1 von der zweiten Two Door Cinema Club Platte kommen. Die Akkorde sind ausgelutscht, die Lyrics einfach, die Struktur austauschbar. Macht das Spaß? Und wie! Ist es interessant? Leider nein. Von hier an wird es leider nicht besser. Vom Mitklatsch-Pop auf Your Ghost über triefenden Vorstadt-Kitsch auf Carry You Home und Northern Town bis zur Wombats-Imitation Electric City – wenig Neues, wenig Gutes.
Ein wenig Dramaturgie findet man schon in den Songs, die zwar meist flach geschrieben sind, aber immerhin so etwas wie eine Grundstimmung transportieren: Das Hin-und-Her-Gerissen-Sein zwischen Nostalgie und Zukunftsgewandtheit. Die Anspielungen auf die gute alte Zeit sind selten doppelbödig (auf Northern Town heißt es: „Built to last, built for good, In our arms Irish blood“), und leider auch mit zu wenig Augenzwinkern versehen, singt Shudall doch tatsächlich von den „Golden Days“.
Ganz zum Schluss scheinen die Liverpooler Jungs doch noch etwas zu sagen zu haben. Living in the Grey, die letzte der Vorab-Singles, ist wenigstens in Ansätzen eine Auseinandersetzung mit dem eigenen Erfolg und den Auswirkungen der Musikindustrie auf die Psyche. Natürlich klingt auch das im Ergebnis abgedroschen, aber es ist ein versöhnlicher Abschluss für das Album.
Man wünscht sich, die Briten würden ihre Melodien ab und an etwas variieren, mal ein Thema ausbreiten, ein Interlude, ein Solo, ein wenig Atmosphäre in ihre Platte packen. Doch das Album sollte wohl auf keinen Fall über 40 Minuten dauern. Daher stehen die wenigen Highlights einsam für sich, und von Never Going Under bleibt nicht viel mehr als die Erinnerung an bessere Zeiten.
Circa Waves – Never Going Under
VÖ: 13. Januar 2023, Lower Third
www.circawaves.com
www.facebook.com/CircaWaves
Circa Waves Tour:
17.02.23 Hamburg, Molotow
18.02.23 München, Strom
20.02.23 Berlin, Frannz Club
22.02.23 Köln, MTC