Foto-© Tom Cockram
Here come those drunk tales from a friend of mine
But I don′t hear anymore
No, I can’t stay awake
I′m too much in love
And now I can’t see straight
Like those cheap stalls on street corners
Nothing’s what it seems
Well, I′ve got the warmth
I feel it always
You turned my world around
Okay
Blue jay
Don′t say it’s over
Dreamer, what a fool
I had the words, I had it all worked out
But you′re like no-one
And I feel it in ways
Until my heart is drowned
(Gaz Coombes – Don’t Say It’s Over)
Nein, ein neues Supergrass-Album wird es – trotz sehr erfolgreicher Auftritte der einstigen Britpop-Topstars auf der Insel und mancher Comeback-Hoffnungen – nicht mehr geben. Das hat Frontmann Gaz Coombes gerade erst wieder im Rolling Stone klargestellt: “Wir sind Freunde und touren, aber im Studio funktionierten Supergrass nicht mehr. Ich bin froh genug über unser altes Zeug. Neue Musik soll es nicht geben.” Wer jetzt traurig ist über eine womöglich verpasste Reunion-Chance, kann sich mit Coombes’ neuem Soloalbum trösten.
Und Turn The Car Around leistet als Fan-Seelentröster weißgott sehr gute Dienste. Nicht nur beim Albumtitel fallen Parallelen zum vorjährigen Meisterwerk The Car der direkten Britpop-Nachfolger Arctic Monkeys auf. Wie deren Mastermind Alex Turner, der vom Punkrock-Proll zuletzt zum famosen Adultpop- und Soul-Crooner mutierte, ist Gaz Coombes ein Popmusiker des stetigen Wandels – mit wachsenden Ambitionen.
David Bowie und Roger Daltrey bleiben zwar hörbar Bezugsgrößen des mittlerweile 46-Jährigen. Aber den noch eher spaßigen Glamrock-Charme der ersten Supergrass-Alben hat der Engländer zunehmend durch einen selbstbewussten, reifen Singer-Songwriter-Stil mit tollen Breitwand-Arrangements ersetzt. Oder anders ausgedrückt: Während Coombes in der frühen Bandphase mit seinem Äußeren (diese Koteletten!) noch “an das Personal von Planet der Affen erinnerte”, wie die wunderbare Musikerin und Autorin Christiane Rösinger vor zwanzig Jahren mal trefflich augenzwinkernd schrieb, so hat er sich nun zu einem ernstzunehmenden Britpop-Gentleman mit schwarzem Hut und eleganten Stoffhosen entwickelt.
Das für den Mercury Prize und den Ivor Novello Award nominierte Album Matador (2015) hatte schon bewiesen, dass Coombes sehr gut auf Solo-Beinen stehen kann (und ein Supergrass-Revival daher rein künstlerisch gar nicht nötig hat). “Ich habe mich weiterentwickelt und das Gefühl, dass ich in dem, was ich tue, besser geworden bin”, sagt er jetzt über Turn The Car Around. Man muss als Hörer nicht erst beim fabelhaften Album-Closer Dance On angelangt sein, um diese Selbsteinschätzung bestätigt zu finden.
Bereits die melancholisch verschattete Klavierballade Overnight Trains, deren beeindruckender Bariton-Gesang mehr mit Scott Walker gemeinsam hat als mit Coombes’ Gekrähe der Supergrass-Anfänge, setzt als Opener ein Ausrufezeichen. Don’t Say It’s Over scheut danach ebenfalls nicht vor großen Cinemascope-Gesten inklusive Sixties-Gitarren und Chorgesang zurück – dieser Song wäre auf dem neuen Arctic-Monkeys-Album nicht unangenehm aufgefallen. Feel Loop (Lizard Dream) kommt als funky groovender Gitarrenrock daher, der auch von Prince stammen könnte.
Und so geht es munter weiter mit durchweg anspruchsvollen Liedern und einer wuchtigen Produktion, die mit breitem Pinsel das bisher stärkste künstlerische Statement des Gaz Coombes ausmalt. Hartnäckige Verehrer seiner einstigen Band werden ebenfalls noch manch Schönes auf Turn The Car Around finden – etwa den treibenden, hymnischen Track Long Live The Strange, der wohltuend an die dritte, selbstbetitelte und nun auf ewig beste Supergrass-Platte erinnert.
Apropos: Wer dieses bereits im Original von 1999 grandiose Album nochmals (oder erstmals) entdecken will, der hat seit einigen Wochen dazu Gelegenheit mit einem 2-CD-Reissue als 2022-Remaster-Version inklusive Remix-, Bonus- und Live-Stücken. Eine feine Rückschau, gewiss – um die Zukunft von Gaz Coombes muss man sich aber auch keine Sorgen machen.
Gaz Coombes – Turn The Car Around
VÖ: 13. Januar 2023, Hot Fruit Recordings/Virgin Music
www.gazcoombes.com
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