Foto-© Marcus Prouse Jr.
Now I can see the skyline flying by my window,
I can feel it all flow,
every feeling‘s borrowed,
I can feel it all flow, surrendering‘s everything,
Gigi, you never left me.
(The Murder Capital – Gigi‘s Recovery)
Es hatte noch nicht richtig angefangen, da ging‘s schon um das Finale. Auf When I Have Fears, dem Debüt von The Murder Capital, war 2019 der Tod das Thema. Ein Freund hatte sich das Leben genommen. Aus diesem Gefühl heraus entwickelte sich aufwühlende Musik mit Tribal-Trommeln und bohrenden Gitarren, angeführt von James McGoverns Stimme, die Unheil erahnen ließ. Post-Punk pur. Eine Weltuntergangsplatte vor dem Weltuntergang.
Die Band hätte sich angesichts der Pandemie weiter in die Abwärtsspirale hineinsteigern können. Erste Aufnahmen in diese Richtung gab es, sie wurden verworfen. Nach den Angstszenarien auf When I Have Fears bliebe als nächste Extremität nur die Vernichtung. Will man die? The Murder Capital entschieden sich dagegen. Man kehrte länger in sich und führte Gespräche, wie es in der Band weitergehen soll. Man ging dorthin, wo es Dubliner heute im Regelfall kaum noch aushalten, nach London. Ausgerechnet dort blühten die Jungs auf, mischten sie sich nach dem Lockdown unter die Leute. Die Gedanken kreisten nicht mehr um morbide Macken, sondern um das, was das Leben bringen könnte. So wurde aus Gigi‘s Recovery ein Album, das weniger bärbeißig wirkt. Spielerischer, nuancierter, lockerer. Sagen wir Weiterentwicklung dazu.
Zunächst lässt die Stimmung nichts Gutes erahnen. „Strange feeling I‘m dealing with, I can‘t admit it I‘d lose my grip…existence fading.“ In Crying die große Anfangsfragestellung: „The colours drip from your eyes, I‘m caught inside and I‘m asking for a friend, I‘m crying, is this our end?“ Im Hintergrund baut sich finstere Atmosphäre auf, McGovern stellt sich ihr engagiert entgegen. In Ethel erst recht: „Where are your friends now? Well, they‘re all flying high, high, high. You better get it right, right, right, one chance at this life.“ Die Band unterstützt das mit druckvollem Vortrag, der in diesem Fall an The Killers erinnert. The Stars Will Leave Their Stage beinhaltet Selbstzweifel: „The sun at work, no love no birth, just shining on your face, we die to keep our souls as features, we hang them from our walls“. Unterstützt wird es mit einem Sound, der auf elektronischen Loops basiert. Eine Neuerung bei dieser Band, nicht nur an dieser Stelle. Das Klangspektrum erweitert sich.
Belonging ist der Ruhepunkt in der Mitte der Platte. McGovern will sich nicht ins Abseits befördern, er will dazu gehören. The Lie Becomes The Self und A Thousand Lives folgen aufeinander. Hier zeigt sich, dass The Murder Capital ihren Inspirationspunkt nicht stur zwischen 1978 und 1982 suchen. Sie können auch gut mit dem umgehen, was Radiohead in die Welt gesetzt haben. Der Swing im Schlagzeugbeat erinnert an den von Philip Selway, es ist nie und nimmer Trad-Rock, McGovern betrachtet Thom Yorke offenkundig auch als Vorbild.
Der Kreis schließt sich mit Exist. „New feeling, revealing it, I‘ll stay committed, I‘ll make it stick…existence changing.“ Die Endzeitstimmung erdrückt nicht, Lichtmomente haben Platz. Am Ende des Albums weiß man: Alles okay, Zuneigung ist besser als Zusammenbruch. Die Erleichterung über das Aufbäumen ist groß.
The Murder Capital – Gigi‘s Recovery
VÖ 20. Januar 2023, Human Sesaon
www.themurdercapital.com
www.facebook.com/MurdrCapitalBand
The Murder Capital Tour:
05.02.23 Luxor, Köln
06.02.23 Molotow, Hamburg
08.02.23 Lido, Berlin
09.02.23 Hansa 39, München