AUS MEINER HAUT – Filmkritik & Verlosung


Foto-© AMH_WALKER WORM_XVERLEIH

Ist doch klar, dass du das alles fühlst. Du bist der Mensch, der du bist, weil du den Körper hast, den du hast.

(Stella – Aus meiner Haut)

Wir lernen Leyla (Mala Emde) und Tristan (Jonas Dassler) auf der Fähre kennen. Leyla ist gerade aufgewacht, nachdem sie eine Weile an Tristans Schulter eingenickt war. Die Schulterverspannung nimmt Tristan selbstverständlich gern in Kauf, gibt seiner Freundin einen Kuss und verkündet mit verliebtem Blick, ihr einen Kaffee zu besorgen, bevor sie bald ihr Ziel erreichen. Soweit, so romantisch. Doch auf der Insel angekommen wird schnell klar, dass es sich hier nicht um einen entspannten 0815-Pärchenurlaub handelt.

Auf der Insel, auf der die beiden eine Jugendfreundin von Leyla besuchen, finden jeden Sommer Paare zusammen, um mit Hilfe eines Rituals ihre Körper zu tauschen. Wer mit wem tauscht, wird ausgelost. Leyla und Tristan werden mit Fabienne (Maryam Saree) und Mo (Dimitrij Schaad) gematcht: Für die nächsten zwei Wochen wird Leyla die Welt durch Fabiennes Augen sehen und umgekehrt, und Tristan wird mit Mo tauschen, der gleich auf den ersten Blick kaum unsympathischer sein könnte: aufbrausend, chauvinistisch, unangenehm aufdringlich. Das komplette Gegenteil des ruhigen, zurückhaltenden Tristan, dem das alles ohnehin nicht so ganz geheuer ist.

Die mysteriöse Kommune auf einer abgelegenen Insel, die festliche Dinner-Party, die Gewänder, die sich die Paare vor der Zeremonie überstreifen – die Szenerie erinnert an Midsommar, was einen als Zuschauer*in schon mal nicht unbedingt erwarten lässt, dass die ganze Nummer allzu harmonisch ablaufen wird.

Was macht unsere Identität eigentlich aus? Sind unser Körper und unser Geist zwei voneinander trennbare Entitäten? Wo beginnt und endet das „Ich“? Das sind die Fragen, die im Spielfilmdebüt von Regisseur Alex Schaad gestellt werden. Das Erleben eines anderen Körpers beeinflusst die Figuren auf ungeahnte Weise, ihre Beziehungen zueinander beginnen sich verändern, ebenso wie ihre Beziehungen zu sich selbst. Und genau da beginnen die Probleme. Während Tristan sich im Körper von Mo sichtbar unwohl fühlt, erlebt Leyla im Körper von Fabienne eine unglaubliche Befreiung. Zum ersten Mal seit Langem, gesteht sie ihrer Freundin, fühlt sich alles irgendwie leicht an. Die Narben auf ihren Armen hatten es schon angedeutet, und je weiter der Film fortschreitet, desto deutlicher wird, dass Leyla krank ist. Kann sie ihre Depression in ihrem Körper zurücklassen und in einem anderen Körper wieder glücklich werden? Es scheint so, denn umgekehrt spürt auch Fabienne, dass sie sich in Leylas Körper anders fühlt, trauriger. Ob Leyla aus diesem Grund überhaupt das Experiment wagen wollte? Für sie steht jedenfalls fest, dass es kein Zurück mehr gibt, und als Tristan den Tausch vorzeitig abbricht, ist sie fassungslos angesichts seiner Ignoranz. Plötzlich wird klar, dass die Beziehung der beiden doch nicht so perfekt ist, wie sie zu Beginn des Films anmutete: Leyla ist schon lange mit sich selbst und ihrer Depression beschäftigt, Tristan erscheint dabei wahnsinnig passiv und scheint gar nicht so recht zu begreifen, wie sehr seine Freundin leidet.

Aus meiner Haut dreht sich nicht nur um das Rätsel, was uns als Menschen eigentlich ausmacht, sondern auch, wie diese wie auch immer definierte Identität mit unseren Beziehungen interagiert. Dabei begibt sich der Film logischerweise auch ins Fahrwasser der Frage, welche Rolle dabei die Geschlechtsidentität spielt: Als Leyla mit einem anderen Inselbesucher tauscht und sich in einem männlichen Körper wiederfindet, stellt das ihre und Tristans Beziehung noch einmal vor ganz andere Herausforderungen.

So spannend die Gedanken sind, die durch den Körpertausch aufgeworfen werden – stellenweise wirkt das Geschehen dennoch zu konstruiert. Zum Beispiel, weil man sich fragt, warum sich Leyla und Tristan überhaupt mit einem anderen Paar zusammentun müssen, und nicht einfach untereinander ihre Körper tauschen. Würde ihnen das nicht viel mehr dabei helfen, ihre Beziehung und einander besser zu verstehen?

Was den Film trotzdem sehenswert macht, ist vor allem die schauspielerische Leistung, die sich in den Szenen entfaltet, in denen die Darsteller nach erneutem Körpertausch von einer Rolle in die andere wechseln. Dass Jonas Dassler es schafft, sich überzeugend in einen widerlichen Menschen zu verwandeln, hat er bereits als Frauenmörder Fritz Honka in Der goldene Handschuh bewiesen; es ist faszinierend, wenn Mo seinen Körper verlässt und im Körper von Tristan als grenzüberschreitendes Ekelpaket wieder zum Vorschein kommt. Auch die Sexszenen sind sehr behutsam gelungen, vor allem zwischen Tristan und Leyla, als diese schließlich im Körper eines Mannes (Thomas Wodianka) ihr Glück gefunden zu haben glaubt. Nicht zuletzt deshalb ist Aus meiner Haut in vielen Momenten ein berührendes, intensives Kinoerlebnis, das zum Nachdenken anregt – wenn man hier und da über die fehlende Logik und psychologische Genauigkeit hinwegsieht.

Aus meiner Haut (2022)
Regie: Alex Schaad
Besetzung: Mala Emde, Jonas Dassler, Maryam Saree, Dimitrij Schaad
Kinostart: 02. Februar 2023, X Verleih

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Marit Blossey

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