Bedroomdisco Top Alben – März

Foto-© Tran Chau

Mit großen Schritten nähern wir uns im März den Highlight-Monaten für musikalische Hochkaräter und freuen uns schon auf das ein oder andere neue Werk, das uns bestimmt bis zum Ende des Jahres und auch in der nächsten Jahres-Besten-Liste noch begleitet.

1. CATT – Change (VÖ: 24.03.23)

Ende 2020 veröffentlichte die hiesige Newcomerin CATT mit ihrem Debütalbum Why, Why ein Werk, das sie unmittelbar zu einer der spannendsten Songwriter-Stimmen hierzulande machte. Und trotz Pandemie-Einschränkungen bedeutete die Folgezeit dementsprechend einiges an Trubel, Unmengen an Tour-Terminen, Festivals, Presse-Termine und Co. für die Musikerin – nach all dem Trubel suchte die Newcomerin die Abgeschiedenheit des Berliner Umlands, um wieder zu Ruhe zu kommen. Und genau dort scheint sie ihre Liebe für Pop-Musik gefunden zu haben. Denn schon nach den ersten Singles des neuen, am 24. März erscheinendem Albums Change war klar, dass sich einiges im Sound der neuen Songs getan hat – zwar sind diese natürlich immer noch im Kern CATT-Songs, kommen aber zuweilen auch im unerwarteten Uptempo-Gewand daher, frisch und mit dem Potential zu internationalen Hits.

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2. boygenius – the record (VÖ: 31.03.23)

„Die Supergroup, die wir jetzt brauchen“, prangert auf der aktuellen Ausgabe des Rolling Stone Magazines zur Cover-Story mit boygenius – und natürlich gehört das Debütalbum the record der drei US-amerikanischen Super-Songwriterinnen und Indie-Lieblingen Phoebe Bridgers, Lucy Dacus und Julien Baker auch zu unseren absoluten Lieblingsalben im März. Solo gehören sie für sich schon zu den spannendsten und tiefgründigsten Geschichtenerzählern ihres Fachs, gemeinsam ergänzen sie sich um ihre jeweils eigenen Stärken zu einem einnehmenden Ganzen, das die erste EP-Ausflucht in 2023 nun auf 12 neuen Songs fortsetzt und damit den Wunsch ganz vieler Fans erfüllt.

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3. The Blaze – JUNGLE (VÖ: 10.03.23)

Lange hat sich das französische Duo, bestehend aus den Cousins Guillaume und Jonathan Alric, beide Musikproduzenten und Filmregisseure, rar gemacht, nachdem ihr Debütalbum DANCEHALL in 2018 so etwas wie das große Konsensalbum war. Das große Markenzeichen von The Blaze damals – neben der großartigen filmischen, wie graphischen Begleitung der Songs – war die emotionale Tiefe, die den elektronischen Produktionen inne wohnte. Mit Hinblick auf die darauffolgenden Jahre der Touren und Festival-Shows hat das Duo bei der Produktion ihres neuen Albums größeres Augenmerk auf die Live-Umsetzung der Songs gelegt. Das Ergebnis ist introspektive elektronische Musik, die von visuellen Effekten und emotionsgeladenen Melodien getragen wird. “Nach der Veröffentlichung unseres ersten Albums DANCEHALL haben wir 4 Jahre lang Live-Shows auf der ganzen Welt gespielt und diese Erfahrung hat uns tief geprägt. Seitdem schreiben wir Musik mit dem Gedanken, sie live zu spielen. Außerdem wollen wir unserem Publikum eine neue Erfahrung bieten. All diese Faktoren ebneten uns den Weg zu JUNGLE. Wir wollten den introspektiven Aspekt unserer Musik beibehalten, aber gleichzeitig daran denken, dass die Leute auch zum Tanzen kommen, wenn sie uns auftreten sehen.”

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4. Talking To Turtles – And What’s On Your Mind (VÖ: 17.03.23)

Wenn eine Band eine längere Pause macht, droht ja auch schon mal die Auflösung, das Abtauchen ohne Wiederkehr – umso mehr freuen wir uns nach ganzen neun Jahren Release-Pause und großer Vermissung über ein neues, viertes Album von Claudia und Florian Sievers, alias Talking to Turtles! Nachdem Florian mit seinem Projekt Das Paradies die letzten Jahre umtriebig war, kehrt er nun zu seinen Wurzeln zurück – und es ist wie ein Wiedersehen mit alten Freunden, die sich aus den Augen verloren haben, aber schon in den ersten Momenten wieder zu der alten Freundschaft zurückkehren, als wäre es Fahrradfahren, das verlernt man ja auch nicht. Mit großem Charme und noch größer-kleineren Melodien propagiert das Paar auf And What’s On Your Mind den Austausch, die Annäherung, die Einladung. Und umarmen erneut die Imperfektion. Die Songs sind konsequent zweistimmig gesungen, niemand drängt sich in den Vordergrund. Die Gitarren und das Rhodespiano, mal lässig rhythmisch, mal elegant zerlegt, verschmelzen mit filigranen Soundcollagen, Holzbläsern und klug eingesetzten Drums und Percussions. Das ist ein Teil der Talking to Turtles Magie; ihre Musik hat eine Unbedarftheit an sich, die zusammen mit einer handwerklichen Tiefe einen unwiderstehlichen Kontrast formuliert. Und wie es auch mit den lange nicht gesehenen Freunden nach einem schönen gemeinsamen Abend ist, denken wir auch hier – lasst doch mal wieder öfter von euch hören, wir sollten uns nicht wieder aus den Augen verlieren!

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5. Charlie Cunningham – Frame (VÖ: 31.03.23)

Schon bei unserer letztjährigen Festival-Ausgabe des Golden Leaves Festivals wartete der britische Songwriter Charlie Cunningham mit dem ein oder anderen neuen Song auf – nun kehrt der erfolgreiche Musiker im März mit seinem kompletten neuen Album Frame zurück! Die charakterstarken Songs Cunninghams leben darauf zwischen melancholischem Klavier und Akustikgitarre und wirken auch aufgrund seiner warmen Stimme zweitlos und tröstend. Auf seinem neuen Album erweitert Charlie Cunningham seine Singer-Songwriter-Wurzeln mit Art-Rock-, Jazz- und Neo-Klassik-Referenzen. Er selbst sagt darüber: “Unsere Persönlichkeiten bestehen aus unterschiedlichen Aspekten und Bausteinen – diese Songs sind Dialoge zwischen meinen. Mit den eigenen Widersprüchlichkeiten umzugehen und in ihnen sogar etwas positives zu sehen ist eine Frage der Selbsterhaltung.” In den Songs taucht Cunningham in die Themen des menschlichen Daseins ein: Herzschmerz, Spiritualität, Trauer und Klimaangst. Charlie Cunningham hat aus seinen eigenen persönlichen Beobachtungen und Erfahrungen universell nachvollziehbare Emotionen gesponnen.

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Newcomer:

1. Mayberg – MINI (VÖ: 03.03.23)

Im März feiern auch einige deutschsprachige Bands und Musiker ihre neuen Alben-Veröffentlichungen: ob AnnenMayKantereit, Trettmann, Tristan Brusch oder Niels Frevert – ein Highlight jagt das nächste. Ein besonderes ist dabei die Debütalbum-Veröffentlichung von Mayberg, dem Musiker aus Leipzig, der in den vergangenen Monaten schon immer mehr mit seinen Songs für Aufsehen sorgte und damit nun für den ganz großen Durchbruch sorgen wird. Die anstehende Tour ab April ist schon so gut wie komplett ausverkauft, im November werden große Hallen gespielt. Und wahrhaftig bedient der in Kassel geborene Newcomer einen Soft Spot zwischen Milky Chance, Faber und Co und trifft mit extravaganten, wie vielschichtigen Texten über Herzschmerz, Unsicherheiten und Gefühlschaos den Nerv bei vielen jungen Menschen.

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2. Caroline Rose – The Art of Forgetting (VÖ: 24.03.23)

Caroline Rose hat “seit ihrem Debütalbum von 2014 eine Vielzahl von Stilen durchlaufen, von Country-Rock bis hin zu glänzendem elektronischem Pop” (The New York Times) und ist damit vielleicht keine waschechte Newcomerin – aber der internationale Durchbruch scheint mit ihrem neuen Album The Art of Forgetting wohl so nah wie nie zuvor! Zum ersten Mal strotzt Roses Musik vor rohen, intensiven Emotionen, es präsentiert Rose in der Art von bekennender Ehrlichkeit, von der wir bisher nur flüchtige Einblicke in ihrer Arbeit bekommen haben. Ausgelöst durch eine schwierige Trennung begann sie, tief in sich zu gehen und dabei unwissentlich lange verschüttete Kindheitserfahrungen auszugraben. Natürlich taucht ihr schelmischer Humor unerwartet inmitten von Themen wie Bedauern und Trauer, Verlust und Veränderung, Scham und der Unvermeidlichkeit von Schmerz auf. Während der Aufnahmen zum Album erhielt Rose “jeden Tag Anrufe von meiner Großmutter, die offensichtlich ihr Gedächtnis verlor. Das brachte mich dazu, über all die verschiedenen Arten nachzudenken, in denen die Erinnerung in unserem Leben auftaucht. Es kann sich wie ein Fluch anfühlen oder als Werkzeug eingesetzt werden”. Mit diesem Gedanken im Hinterkopf produzierten sie das Album unter Verwendung von Geräten und Medien, die die Eigenschaften verblassender oder fehlerhafter Erinnerungen verkörpern, wobei sie sich zu Instrumenten hingezogen fühlten, die sich im Laufe der Zeit auf natürliche Weise veränderten oder zerfielen: Holz- und Streichinstrumente, Stimmen, Tonband und Granularsynthese. “Jedes Mal, wenn ich ein Album mache, lerne ich eine Menge über mich selbst”, kommentiert Rose. “Jetzt schaue ich zurück und sehe die Heilung einer Wunde. Ich fühle mich wie eine neue Version von mir selbst. Ich glaube, eine bessere.”

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3. Lichen Slow – Rest Lurks (VÖ: 10.03.23)

Es hat manchmal etwas Befreiendes wenn man aus bestehenden Mustern ausbrechen kann, indem man sich als leeres Blatt gegenüber einem Fremden neu definieren kann – als Person oder auch als Musiker. So geschehen bei Joel Harries (Team Leader, 72%) und Malcolm Middleton (Arab Strap), die sich nach einem ersten Treffen durch einen gemeinsamen Freund, einfach mal Musik hin- und herschickten und schnell merkten, dass sie gut zusammen funktionieren. „We just clicked and had a good chat about Bolt Thrower“, erinnert sich Middleton. „I sent Joel an acoustic guitar bit and he immediately came back with a complete song. That’s when we thought we might be onto something. We just started writing songs and couldn’t stop.” Gleichzeitig macht das Duo Witze darüber, dass ihr „lack of communication” der Schlüssel für ihre Produktivität war – also kein Schnacken, sondern nur Schaffen. Und geschafft haben sie einiges, in Form des Debtüalbums Rest Lurks, auch wenn sie teilweise unterschiedliche Herangehensweisen an die Songs hatten, wie auch bei der zweiten Single Pick Over The Bones deutlich wird: “It started as just an acoustic guitar and vocal but after sending it over to Malcolm it came back a very different beast. It was really exciting to me to see such a simple little song become something much more expansive“, erklärt Harries. Middleton fügt hinzu. “I may have used the phrase “Make it go all MBV before the Rage Against The Machine bit at the end!” Or maybe I didn’t.” So oder so auf jeden Fall ein spannendes, wie vielschichtiges Werk, das die Qualitäten der beiden Musiker dahinter auf ein neues, gemeinsames Level hebt und zeigt wie gut man gegenseitig voneinander profitieren kann, wenn man es denn zulässt.

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Wiederkehrer: Fenne Lily – On Hold (VÖ: 27.04.18)

Ok, ok, ok – wir haben vielleicht schon das im April erscheinende, neue Fenne Lily-Album Big Picture gehört und sind jetzt schon so sehr in die Songs verliebt, mit denen sich für uns gefühlt auch so etwas wie der Kreis zum großartigen Debüt On Hold schließt. Und wen wundert es? „Writing this album was my attempt at bringing some kind of order to the disaster that was 2020. By documenting the most vulnerable parts of that time, I felt like I reclaimed some kind of autonomy”, erklärt Fenne – während bei ihrem Debüt in reduzierten Klängen eher persönliche Katastrophen im Fokus standen, wie eben Trennungsschmerz. On Hold macht nicht unbedingt Spaß, schließlich möchte man sich dazu eigentlich nur kauernd ins Bett legen, weil jeder Song an banalste Emotionen appelliert. Tatsächlich gestaltet sich es ganz schön schwer, sich dem Charme der jungen Künstlerin auf ihrem Debüt zu entziehen und vielleicht möchte man das an dieser Stelle auch gar nicht – denn irgendwie verdient doch jeder Katastrophe eine Fenne Lily-Platte, die einen einhüllt, auffängt und einem durch all den Schmerz, die Trauer und all die Gefühle begleitet. Der April kann auf jeden Fall kommen…

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Dominik

Bedroomdisco-Gründer, Redaktions-Chef, Hans in allen Gassen, Golden Leaves Festival Booker, Sammler, Fanboy, Exil-Darmstädter Wahl-Hamburger & happy kid, stuck with the heart of a sad punk - spreading love for great music since '08!

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