Fantasy Filmfest? War das nicht gerade erst? Stimmt, wir hatten uns zuletzt mit einem Bericht des Fantasy Filmfests im Oktober letzten Jahres gemeldet. Auch wir waren etwas überrascht als uns in der, wie immer sehr sympathischen Ansprache zur Eröffnung des Festivals, verkündet wurde, dass man sich nun endlich auch hier nach der Pandemie zurück melden kann. Das Festival des abseitigen Films gibt es nämlich in drei Varianten, das große Festival im Herbst, die Nights im Frühling und eben die White Nights im tiefsten Winter. Zu eben diesen fanden wir uns nun also endlich wieder in unserem Stammkino – der Harmonie in Frankfurt am Main – am 28. und 29. Januar ein, weitere Veranstaltungsorte waren wie immer Berlin, Hamburg, Köln, München, Nürnberg und Stuttgart.
Der strakte Trend der Internationalisierung, weg von einem USA-Fokus, setzte sich dabei in der Auswahl der zehn Filme fort. Entsprechend fanden sich insgesamt nur zwei englischsprachige Produktionen im Programm und wir stellen euch im Folgenden drei Filme aus Frankreich, Mexiko und Südkorea vor.
Regisseur Guillaume Nicloux zeigte uns mit La Tour einen zunächst intensiven Querschnitt der französischen Gesellschaft mit all seinen Problemen. Den internationalen englischen Titel Lockdown Tower ignoriert man am besten, denn Assoziationen mit Corona und der Pandemie, gehören tatsächlich zu den wenigen Themen, die hier nicht angesprochen werden. Dennoch treibt er die gesellschaftlichen Spannungen durch ein Isolationsszenario auf die Spitze: plötzlich ist ein Wohnblock in der Banlieue umhüllt von einem schwarzen Nebel, der nichts rein oder raus lässt. Selbst wenn man es schaffen würde, die aberwitzige Resourcen-Ökonmie (wie auch der Film selbst) auszublenden, bleibt nur Verzweiflung, Brutalität und eine antagonistische Gruppenbildung, die in derart typischen Bahnen eskaliert, dass wenig wirklich schockiert. Es dauerte nicht lange, da haben wir den Überblick verloren und schauten nur noch zu, wie Leute Treppen hoch und runter gingen.
Nach diesem sehr düsteren Auftakt ging es weiter ins sonnige Mexiko. Regisseur Isaac Ezban lies es sich nicht nehmen eine extrem sympathische Videobotschaft an die Festivalbesucher zu richten. Hier beschrieb er die schwierige Reise auf dem Weg zu seinem Horrorfilm-Debüt. Verschiedene Zeitebenen, Dreharbeiten On-Location, die Arbeit mit Kinderdarstellerinnen und natürlich Corona Restriktionen galt es zu überkommen. All dies ist ihm definitiv gelungen und es fällt etwas schwer genau festzumachen, warum Evil Eye trotzdem nicht wirklich zündet. Erzählt wird in Rückblenden die Sage von drei Schwestern. Drillingen, von denen eine schwer erkrankt, die zwei anderen versuchen sie zu retten. Eine verfällt der schwarzen Magie, die anderen nicht. Hexen, tauchen dabei sowohl als Gegenspielerin als auch Unterstützerin auf. Der Hauptplot in der Gegenwart dreht sich um zwei Schwestern, von denen eine auch schwer erkrankt ist. Da keine Heilmethoden anschlagen, fährt die Familie raus aufs Land auf das Anwesen der Großmutter. Nachdem die Eltern ihre Kinder dort zurücklassen, um sich um ein neues Heilmittel zu kümmern, verschwimmen zusehends die Grenzen zwischen der Sage und der Realität. Vermutlich, weil es sein Horrordebüt ist, wird in dem Film einfach zu viel, was dem Zuschauer an sich klar ist, immer wieder und wieder erklärt. Wenn am Ende dann die Twists aufgehen, ist die größte Überraschung, dass die Protagonistinnen das tatsächlich nicht haben kommen sehen. Ebenso kranken die Figuren und Set Pieces an einer klassischer Horrorfilmkrankheit: der Plausibilität. Während der Hauptplot um Schwestern und Hexen übererklärt wird, finden parallel plötzlich Séancen im nahegelegen Wald statt. Auch die Handlungen der Figuren ist teilweise schwer nachvollziehbar und über lange Zeit laufen die Mädchen repetitiv und planlos immer wieder die gleichen Locations ab, fliehen, um dann doch wieder zurück zu kehren. Optisch ist das alles toll inszeniert und erinnert vor allem stilistisch, in seinen besten Momenten an den ebenfalls mexikanischen Guillermo del Torro, nur überzeugt dieser eben auch noch mit Inhalt. Für Neulinge im Horrorfilmgenre und in geringerem Maße für Fans von Hexen und Folk-Horror empfehlenswert, aber insgesamt leider näher an einem La Llorona (2019) denn der Authentizität eines The Witch (2015) oder der traurigen Melancholie eines Pan’s Labyrinth (2006).
Ein koreanischer Beitrag darf auch bei den Fantasy Filmfest White Nights nicht fehlen und wenn man sich bloß an dem Titel und dem Ursprungsland orientiert, könnte man von einem besonderen Actionfilm ausgehen. Das besondere an Project Wolf Hunting ist jedoch, und das sollte jedem Zuschauer vorab bewusst sein, dass im besonderen Maße viel Blut vergossen wird. Schon zu Beginn wird versucht eine konkrete Erklärung für das Szenario zu geben, doch so wie der Rest des Films mündet diese in einem überschwappenden Blutbad. Der Plot ist an sich schnell zusammengefasst: mit einem Frachtschiff sollen mehrere Sträflinge, bewacht von angeblich sehr erfahrenen koreanischen Polizeibeamten, von den Philippinen nach Südkorea überführt werden. Einige von den Sträflinge sind besonders gefährlich und finden einen Weg, sich zu befreien und die Kontrolle über das Schiff zu erlangen. Somit nimmt eine nicht enden wollenden Gewaltwelle, in der alles und jeder durch den Fleischwolf gedreht wird, ihren Lauf. Project Wolf Hunting ist hyperbrutal und zeigt fast nonstop sinnlose, motivationslose Gewalt, die jedes Mal in sinnflutartigen Sturzbächen voll Blut endet. Die zahlreichen Figuren werden zwar anfangs ein wenig skizziert, doch nach der ersten Blutschlacht, realisiert man, dass der eigentliche Protagonist der Kampf ums Überleben ist. So ist es nicht verwunderlich, dass tatsächlich alle Figuren charakterlos, schablonenhaft und eher unsympathisch bleiben, denn der einzige Grund für ihre Existenz ist ihre rote Körperflüssigkeit, die so brutal wie möglich vergossen werden soll. Dabei wird der leidenschaftliche Blutrausch anhand hervorragender praktischer Effekte optisch sehr gut dargestellt. Innerhalb einer Filmlänge von knapp 60 Minuten könnte man dies auch irgendwie plausibel verkaufen. Da aber ab dem zweiten Akt eine neue Bedrohung, die buchstäblich ein Blutbad genommen hat, auf dem Schiff erwacht und gemäß dem üblichen Genremix des koreanischen Kinos, eine weitere Stilrichtung in das Gemetzel hineingeworfen wird, verlieren sich der Zuschauer und Handlung zusehends. Besonders die plötzlich auftauchenden Rückblenden, die der Handlung eine Ernsthaftigkeit geben wollen, die der Zuschauer nicht braucht und den Plot nicht trägt, sind moralisch deplatziert und inhaltlich aufgesetzt. Sodass auch jeglicher Gewaltexzess, der im dritten Akt exerziert wird, bestenfalls repetitiv, monoton und behäbig, schlimmstenfalls ungenießbar wirkt. Unabhängig davon, empfehlenswert für Fans von Action-Splatter und für alle, die wirklich daran interessiert sind, welcher Wolf denn nun gejagt wird. Denn obwohl es sich hier wieder einmal um einen Zweiteiler handelt, werden vermutlich mehr Fragen beantwortet, als ihr euch gestellt habt. Die Twists sind dabei zwar nicht neu, aber eine gewisse Innovation in Mix und Darstellung kann man dem Film auf keinen Fall abschreiben.
Leider hat auch nur Project Wolf Hunting mit Capelight bereits einen Vertriebspartner in Deutschland gefunden und wird ab dem 2. März auch ganz regulär ins Kino kommen. Für alle Gorehounds hier schon einmal die Information, dass dies UNCUT geschehen wird. Nicht der Film, sondern weiterhin die Körper nahezu aller auf dem Boot werden also verstümmelt. Bei den anderen beiden Filmen gilt hingegen, wie so oft, abwarten und hoffen. Und natürlich, sich auf das nächste Fantasy Filmfest freuen, in dem wieder viele kleine skurrile Perlen auf eure Sichtung warten. Der Fakt, dass diese dann öfter eben nur auf dem Festival zu sehen sind, trägt ja dabei auch durchaus zum Charme eines eben solchen bei.