Foto-© Phil Sharp
And outside, a full wolf moon
Lights the world between us now
These highs and lows
Leave me numb
So I’m waiting out this night
Wishing I was coming home
To dance beneath the morning star
But say this night was never meant to end like this
Tell me that I’m wrong, so wrong and I throw it all away
And in this strange dance, hold me in your arms tonight
(Philip Selway – Strange Dance)
Ganze vier Studioalben haben Radiohead in den vergangenen 20 Jahren veröffentlicht – nach Ansicht von Millionen Fans natürlich viel zu wenig, zumal sich das jüngste Meisterwerk A Moon Shaped Pool (2016) bereits wie ein Schlussakkord anfühlte. Was also tun, wenn man noch voll im Saft steht wie alle fünf Musiker der genialen Artpop-Band aus Oxford? Neben Radiohead-Sänger Thom Yorke und Gitarrist/Soundtrack-Maestro Jonny Greenwood (beide zuletzt im Promi-Projekt The Smile) sowie dem zweiten Gitarristen Ed O’Brien tobt sich auch Drummer Philip Selway gern solo aus. Strange Dance ist bereits seine dritte Platte nach Familial (2010) und Weatherhouse (2014).
Und die zehn neuen Songs beweisen erneut, dass der 55-Jährige mit seiner eigenen Musik nicht als Schlagzeuger überzeugen will, der immer wieder die virtuose Handhabung von Becken, Tomtoms und Hi-Hats ausstellen möchte. Nein, Selway ist hier vielmehr als sehr respektabler Komponist und Klangmaler unterwegs, der mit Unterstützung von Hannah Peel, Adrian Utley, Quinta, Valentina Magaletti und Laura Moody etwas Bemerkenswertes geschaffen hat: ein Drummer-Album, das sich nicht so anhört, weil es ambitionierten Singer-Songwriter-Pop und experimentellen, orchestralen Folk zelebriert. Wie zuletzt der Blur-Kollege Dave Rowntree mit seinem Solo-Debüt Radio Songs wächst Selway (wieder einmal) deutlich über das Klischee des schlichten Band-Trommlers im hinteren Bühnenbereich hinaus.
“I wanted the soundscape to be broad and tall but somehow get it to wrap around this intimate vocal at the heart of it”, sagt Selway über seine Herangehensweise – und spielt mit der Beschreibung seiner “intimen Stimme” vermutlich darauf an, dass er nicht der größte Sänger ist, sondern zwangsläufig einen eher fragilen, sanften Vortrag pflegen muss. In Cinemascope-Tracks wie dem Opener Little Things, The Other Side, Make It Go Away und The Heart Of It All schadet das überhaupt nicht, weil die Klanglandschaft um Selways Stimme herum so schön üppig wuchert. Weniger opulente Stücke wie der an David Sylvian erinnernde exotische Titelsong Strange Dance oder auch Salt Air bringen die Grenzen seines Gesangs deutlicher zum Vorschein.
Mit dem hymnischen There’ll Be Better Days endet das dritte Soloalbum von Philip Selway – ein zum Schluss fast schon bombastischer Mutmacher. Der Radiohead-Mitgründer legt hier sicherlich kein Werk für die Jahresbestenlisten vor, wie es 2022 Yorke/Greenwood im tollen Neo-Progrock/Jazz-Trio The Smile gelang. Dafür ist Strange Dance letztlich eine zu unspektakuläre Platte geworden, die ja auch nicht zum ersten Mal die weniger bekannte Seite des britischen Weltklasse-Drummers präsentiert. Eine sehr angenehme Seite gleichwohl.
Philip Selway – Strange Dance
VÖ: 24. Februar 2023, Bella Union
www.philipselway.com
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