Foto-© Stephen Booth
Time is important
Timing is more important
Without it a story can end
Heidelberg is a German city
By a river, very pretty
And it was there that timing was our friend
Come on
I’m in a story with her
No, I can’t live without her
I just can’t imagine one
I know it’s growing daily
Lately I see how far we’ve come
(Robert Forster – Tender Years)
Eine lebensgefährliche Erkrankung des geliebten Partners, die damit verbundenen Sorgen, Ängste, Gefühlstumulte – so traurig solche Phasen sind, liefern sie Musikern doch gelegentlich auch Stoff für besondere Lieder. Beispielsweise Wilco-Boss Jeff Tweedy, der mit seinem Sohn Spencer das herausragende Trost-Album Sukierae (2014) für die sich langsam erholende Ehefrau/Mutter Suzie einspielte. Im Fall von Mimi Parker, die im November mit nur 55 Jahren an Krebs starb, dürfte deren Krankheit die zuletzt sehr düsteren Low-Songs von Ehemann Alan Sparhawk beeinflüsst haben. Und nun Robert Forster.
Dessen neues Meisterstück The Candle And The Flame ist eine Hoffnung spendende, von großem Familiensinn geprägte Lebensmut-Infusion für seine krebskranke deutsche Ehefrau Karin Bäumler. Denn: “She’s a fighter/fighting for good”, wie Forster im Kreis seiner Liebsten im Video zum Album-Opener geradezu mantrahaft beschwörend singt. Wenn die in der Region Regensburg aufgewachsene Musikerin Bäumler (mit der Indierock-Band Baby You Know) nun auf dem Weg der Besserung ist, hat das vielleicht auch mit diesem und anderen wunderbaren Liedern zu tun.
Wir erinnern uns: Der seit der Gründung von The Go-Betweens (1977) hoch geschätzte australische Singer-Songwriter gehörte – so spröde und dandyhaft seine Stimme manchmal klingt – schon immer zu den Sensibelsten seiner Zunft. Sein vielleicht bestes Soloalbum The Evangelist (2008) war sogar quasi ein in formidable Songs gegossener Nachruf auf den langjährigen Bandgenossen und Freund Grant McLennan, der im Mai 2006 völlig überraschend mit 48 Jahren gestorben war.
Mit schweren Themen und ihrer stilsicheren Umsetzung kennt sich Robert Forster also aus. “Großartige, zutiefst inspirierte Musik entsteht manchmal ganz unerwartet – in richtig schwierigen Zeiten, aber manchmal auch in Zeiten größter Zufriedenheit”, schreibt sein Label Tapete nun über The Candle And The Flame. Zufrieden konnte Forster tatsächlich sein, war sein Album Inferno 2019 doch bis auf Platz 17 der deutschen Charts gelangt – ein unerwarteter kommerzieller Erfolg für den Kritikerliebling. Als zwei Jahre später neue Songs fertig waren, kam der Schock: Karin Bäumler, seit rund 30 Jahren seine Lebensgefährtin, erhielt die Diagnose Eierstockkrebs, sie musste sich Klinikaufenthalten und einer Chemotherapie unterziehen.
Nur She’s A Fighter sei eindeutig nach dieser privaten Zäsur entstanden, erklärt Forster in Interviews zu dem neuen Album mit insgesamt neun Stücken. Aber auch andere Songs wirken heute wie gemacht für ein so nachdenkliches wie aufmunterndes Tribute-Werk. Etwa Tender Years, eine zärtliche Erinnerung und Liebeserklärung, die direkt Bezug nimmt auf Karin Bäumlers süddeutsche Herkunft: “Heidelberg is a German city/by a river, very pretty/and it was there that timing was our friend/come on”. Forster sagt in einer ausführlichen taz-Geschichte: “Nehmen Sie die Songtitel, wie There’s A Reason To Live, und auch viele der Texte, sie haben nach der Diagnose eine ganz neue Bedeutung bekommen. Es ist geradezu unheimlich, wie gut manche meiner Songtexte zu dem passen, was danach passiert ist.”
Neben Forster und Bäumler haben die gemeinsamen Kinder an den Sessions (“so viele wie Karins Kraft und ihr Zustand zuließen”) für The Candle And The Flame in Brisbane teilgenommen: Sohn Louis an der E-Gitarre ist mit seiner Band The Goon Sax selbst ein renommierter Indiepop-Künstler, Tochter Loretta schrammelt auch munter mit. “Da schließt sich also der Kreis”, sagt der 65-jährige Australier. Außerdem waren die Bassistin Adele Pickvance sowie Scott Bromiley und Luke McDonald im Studio dabei.
Das Ergebnis ist eine Platte, die in der Forster-Solodiskografie qualitativ an vorderer Stelle steht, den Hörer mit ihrem persönlichen Hintergrund aber besonders intensiv anspricht. Mitproduziert wurde das Album übrigens von – Karin Bäumler. An dieser Stelle alles Gute für sie und die Forsters!
Robert Forster – The Candle And The Flame
VÖ: 03. Februar 2023, Tapete Records
www.robertforster.net